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Sein Synthesestreben konzentriert sich weniger wie bei Brjusov auf die Vermittlung der armenischen Kultur zwischen Asien und Europa, als vielmehr auf die Verschmelzung der Elemente Natur und Kultur, die er in der Landschaft entdeckt. In der Landschaft Armeniens ofifenbaren sich f"ur Belyj die Schicksale des Landes. Das wird in der Beschreibung des Ararats, des wichtigsten Natur— und Kulturzeichens der Armenier sichtbar:

To — Арарат.

Смотришь, — кажется: вылезло что-то огромное, все переросшее — до ненормальности вдруг отчеканясь главою своей; <…> и растет впечатление, что голова, отделившись от тела, является белой планетой, которой судьба — обвалиться, иль в небо уйти навсегда, унося времена патриархов: не бред ли: в двадцатом столетии увидеть подножье ковчега, летавшего где-то здесь, в уровнях воздуха; и дико вспомнить легенду армян, будто рай насажден был здесь именно <…> [266]

266

Гончар. S. 19.

Diese Urszene der Menschheitsgeschichte erscheint ihm symboltrachtig auch f"ur die Zukunft:

Будет

то время, когда станет братским объятьем сплетение рук араратских, откуда — восход в поднебесные выси, куда ушел конус, коли он… не рухнет до этого; он — разрушается; землетрясение сороковых годов прошлого века свалило под глетчером бок великана на церковь Иакова и на поселок, — в места, куда Ной, опустившися, стал разводить виноградники послепотопные [267] .

267

Гончар. С.21.

Belyjs Armenienbericht wurde 1928 im Heft 8 der Zeitschrift «Krasnaja Nov’» ver"offentlicht, dann erst wieder vollst"andig im Jahre 1985 in Erevan [268] .

Osip Mandel’stam: «Putesestvie v Armeniju»

Mandel’stams Besch"aftigung mit Armenien ist uns vor allem in drei Textsorten "uberliefert: im Gedichtzyklus «Armenija» (1930), dem Notizbuch zur Armenien-Reise «Zapisnye knizki 1931–1932» sowie dem eigentlichen Reisetext «Putesestvie v Armeniju» (1931/1933) [269] . Mandel’stam besuchte Armenien vom Mai bis November 1930. Seit 1928, als eine Verleumdungs — und Hetzkampagne gegen den Dichter entfesselt worden war, tr"aumte er von dieser Reise, die ihm schliesslich durch F"ursprache Nikolaj Bucharins genehmigt wurde.

268

Zur Ver"offentlichungsgeschichte vgl. Sippl C. Reisetexte der russischen Moderne. S. 35.

269

Der Gedichtzyklus erschien erstmalig // Новый мир. 1931. № 3; der Reisetext // Звезда. 1933. № 5, die Tagebuchnotizen wurden teilweise // Вопросы литературы. 1968. № 4 ver"offentlicht, vollst"andig // Мандельштам О. Собр. соч.: В 3 т. Т. 3. Очерки и письма. Нью-Йорк: Международное литературное содружество, 1969. S. 147–168.

"Ahnlich wie bei Belyj ist die Reise als Flucht aus der bedr"uckenden Moskauer Atmosph"are zu verstehen, was sich in den Armenien-Texten widerspiegeln und deren Erz"ahlperspektive bestimmen wird.

Aber Armenien war — und darin Belyjs Georgien-lmaginationen verwandt — nicht beliebiger Fluchtort, sondern kultureller Sehnsuchts-ort, der dem symbolistisch-akmeistischen Synthesedenken reichliche Nahrung bot. Beide Dichter verbanden mit ihrer Reise in den Kaukasus zugleich die Suche nach den eigenen poetischen Wurzeln: W"ahrend Belyj in Georgien die Kolchis, die mythologische Landschaft seiner symbolistischen Argonauten-Phase zu entdecken glaubte, fand Mandel’stam — in dessen Dichtung ebenfalls georgische Motive zu finden sind [270] — in Armenien zu den Wurzeln seiner j"udischen Kultur, aber eben in ihrer Verquickung mit der klassischen Antike. Der Mandel’stam "Ubersetzer und — Spezialist Ralph Dutli weist darauf hin, dass Mandel’stam bereits in seiner «Cetvertaja proza» von 1929/1930 die armenische Erde als die j"ungere Schwester der jud"aischen bezeichnete [271] . Auch der nach der Reise entstandene Gedichtzyklus bezeugt, dass Armenien seine poetische Phantasie besch"aftigt hat.

270

Vgl.: Dutli R. Tinatina, Eros und die Wimpem — Ossip Mandelstams Georgien-Mythos und die Liebeslyrik // Ders. Europas zarte H"ande. Essays "uber Ossip Mandelstam. Z"urich: Ammann Verlag, 1995. S. 101–116.

271

Mandelstam О. Armenien, Armenien! Prosa, Notizbuch, Gedichte 1930–1933 / Aus dem Russ, "ubertragen und hrg. von Ralph Dutli. Z"urich: Ammann Verlag, 1995. S. 206. (Im Weiteren: «Armenien, Armenien!»).

Der Europ"aer Mandel’stam, der im mittelmeerischen Raum das Zentrum der europ"aischen Kultur sieht, betrachtet immer auch die zahlreichen F"aden und Ver"astelungen mit der «Weltkultur», aus der die europ"aische Kultur ihre besondere Qualit"at gewinnt.

Laut Nadezda Mandel’stam schloss er die Krim und den Kaukasus, insbesondere Armenien, durch ihre Verbindung mit dem Schwarzen Meer in diesen europ"aischen Kulturraum ein:

Средиземноморье было для него священной землёй, где началась история, которая путём преемственности дала христианскую культуру Европы. (…) В сферу Средиземноморья он включал Крым и Закавказье. (…) Древние связи Крыма и Закавказья, особенно Армении, с Грецией и Римом казались ему залогом общности с мировой, вернее, европейской культурой. (…) [272]

272

Zit. nach: Sippl C. Reisetexte der russischen Moderne. S. 185.

So wird ihm die Erde Armeniens, mit dem Berg Ararat, der bereits im ersten Buch Mose 8.4 als biblisches Land genannt wird, zum «Lehrbuch derersten Menschen», wie es in einem Gedicht des Zyklus heisst. Mandel’stam verortet Armenien in seiner geokulturellen Landkarte «на окрайне света» (4. Gedicht), wo es seinen Platz als

«"ostlicher Vorposten j"udisch-christlicher, europ"aisch-abendl"andischer Kultur» [273] behauptet.

Der heilige Berg Ararat faszinierte auch andere russische reisende Literaten. In der symbolischen Ausdeutung des Ararat bei den Dichtem der Moderne findet man Puskins Staunen "uber den biblischen Berg wieder («Putesestvie v Azrum»), zugleich aber weiterf"uhrende kulturelle Reminiszenzen: Brjusov besingt den «старый Арарат» als Monument der Freiheit: «В огромной шапке Мономаха, / Как властелин окрестных гор, / Ты внёсся от земного праха / В свободный голубой простор» [274] . Belyj sah in ihm den Patriarchen, in dem Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft steingeworden seien [275] . Mandel’stam versieht den Ararat mit verschiedenen metaphorischen Bestimmungen, so z. В.: «Весь воздух выпила огромная гора» [276] , «дорожный шатёр» [277] .

273

Armenien, Armenien! S. 207.

274

«К Арарату» // Брюсов и Армения. Кн. 1. С. 34.

275

S. Fussnote 19.

276

Armenien, Armenien! S. 106.

277

Ebenda S. 112.

Es ist schwer, in Mandel’stams Armeniengedichten ein geschlossenes Bild des Landes und seiner Kultur auszumachen. Zu den wichtigen Versatzst"ucken, die das poetische Geb"aude namens Armenien errichten, geh"oren Motive der armenischen Volkspoesie, wie die Rose, die allerdings ihres traditionellen Partners der Nachtigall beraubt ist: «Ты розу Гафиса колышешь» [278] beginnt der Gedichtzyklus und verweist damit auf den starken Einfluss der persischen Tradition auf das Armenische. Zugleich wird das Eigenst"andige und Widerst"andige der armenischen Poesie betont:

278

Ebenda S. 93.

Закутав рот, как влажную розу, / Держа в руках осьмигранные соты, / Всё утро дней на окрайне мира / Ты простояла, глотая слезу. // И отвернулась со стыдом и скорбью / От огородов богатых востока; / И вот лежишь на москательном ложе / И с тебя снимают посмертную маску [279] .

Doch statt der romantischen Liebesbande zwischen der Rose und der Nachtigall, die die Volkspoesie durchzieht, lesen wir im VIII. Gedicht: «Холодно розе в снегу: / На Севане снег в три аршина…» [280] Die zarte Rose muss sich nunmehr in eisigen Gefilden behaupten. Im st"andigen Kampf der M"achte wurde Armenien zerrieben. Es ist ein Land, das standig in h"ochster Gefahr schwebt.

279

Ebenda S. 98.

280

Ebenda S. 106.

Ein weiteres wichtiges Mosaik seines Armenien-Bildes bildet die armenische Sprache, besonders das Altarmenische (Grapar), das Mandel’stam (erfolglos, wie er selbst erkl"art [281] ) zu erlernen versuchte. Die fremde Sprache ist ihm Herausforderung: «Дикая кошка — армянская речь — / Мучит меня и царапает ухо» [282] , zugleich symbolisiert sie jene unverf"alschte Kultur, die sich eben durch ihre unverf"ugbare Sprache den politischen Zumutungen der Zeit entzieht.

281

Ebenda S. 65.

282

Ebenda S. 124.

Die poetische Spannung des gesamten Reisetextes «Putesestvie v Armeniju» resultiert aus der Gegen"uberstellung des ungeliebten Moskaus derfinsteren Spiesserfamilien («суровые семьи обывателей») mit dem lichten Armenien, «где черепа людей одинаково прекрасны» [283] . Nur drei von acht Kapiteln haben Armenien zum Schauplatz [284] . Der Akmeist verteidigt sein Konzept der kulturellen Autonomie und einer lebendigen h"ausliche Kultur, in das das transkauskasische Armenien genauso geh"ort wie das weltl"aufige, europ"aische Petersburg — nicht aber das «buddhahafte Moskau» [285] .

283

Мандельштам О. Собр. соч.: В 3 т. Т. 2. С. 146, 147.

284

Zur Struktur des Textes s. Sippl C. Reisetexte der russischen Moderne. S. 189–202.

285

Vgl.: «В год тридцать первый от рождения века / Я возвратился, нет — читай насильно / Был возвращён в буддийскую Москву» (Zit. nach: Armenien, Armenien! S. 134). Buddhahaft bedeutete f"ur Mandel’stam Weltabkehr und Lebensverneinung, im politischen Sinn «asiatisch» und «despotisch». Vgl. dazu auch: Dutli R. Mandelstam. Eine Biographie. Frankfurt a. М.: Fischer Taschenbuch Verlag, 2005. S. 360.

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