Heute oder nie!
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ER: Ich war verpflichtet, mich zu entschuldigen, aber das "andert nichts am Charakter der Sache. Ihr Beruf weckt in mir nach wie vor keine Begeisterung, und an Ihren Diensten habe ich keinen Bedarf.
SIE: Nun gut, jetzt, nachdem wir uns beide entschuldigt haben, k"onnen Sie zu Ihrem Abendessen und Ihrer "ublichen Arbeit zur"uckkehren.
ER: (Erhebt sich, geht aber nicht weg.) Warum sollten wir nicht zusammen zu meinem Tischchen zur"uckgehen?
SIE: Und worin ist das besser, als meines?
ER: Und worin schlechter?
SIE: Sehen Sie, wenn sich eine Frau zu einem Mann setzt, dann wird das als unmoralisch empfunden, was Sie mir auch mit der Ihnen eigenen Feinf"uhligkeit zu verstehen gaben. Und wenn sich ein Mann an den Tisch einer Frau setzt und beginnt, sie anzumachen, dann wird das, warum auch immer, als v"ollig normal empfunden und wirft keinerlei Schatten auf einen von beiden. Deshalb bleibe ich wohl an meinem Tischchen. Hier f"uhle ich mich wenigstens als Hausherrin. Und niemand kann sagen, ich w"urde mich irgendjemandem aufdr"angen.
ER: Anders gesagt, Sie laden mich ein, mich hierher zu setzen?
SIE: Das habe ich nicht gesagt. Aber wenn Sie um meine Erlaubnis bitten, dann sage ich nicht ab.
ER: Verstehe. Also, erlauben Sie?
SIE: Ich gebe Ihnen eine Bew"ahrungsfrist.
ER: Danke. (Er setzt sich. Es entsteht ein lange Pause.)
SIE: Nun, was schweigen Sie denn?
ER: Und was sollte ich sagen?
SIE: Da Sie sich schon zu mir gesetzt haben ist die Reihe an Ihnen, mich zu unterhalten
ER: Ihnen gelingt das besser.
SIE: Danke. "Ubrigens, Sie kennen meine F"ahigkeiten noch nicht in vollem Umfang. Wie sagte eine prahlerische Primadonna eines Singspiels, „meine volle Stimme gebe ich abends“.
ER: Das klingt vielversprechend.
SIE: Ich halte meine Versprechungen immer.
ER: Gestatten Sie noch einmal zu wiederholen: Sie sind eine interessante Gespr"achspartnerin und mit Ihnen zu reden bin ich bereit, so lange Sie wollen. Aber nicht mehr als das. Wenn Sie also mit einem Verdienst rechnen, dann verlieren Sie besser keine Zeit und suchen sich einen anderen Klienten.
SIE: Sie verhalten sich sehr seltsam. Gew"ohnlich wollen M"anner ohne Gespr"ache direkt zur Sache kommen. Sie aber bevorzugen Gespr"ache und weichen von der Sache ab.
ER: Das, was Sie Sache nennen, kann jede Dahergelaufene. Aber hier, klug und interessant eine Unterhaltung zu f"uhren, das kann bei weitem nicht jede. Eine S"unde, so eine Gelegenheit auszulassen.
SIE: Unter kluger und interessanter Unterhaltung verstehen Sie offenbar den Austausch von Grobheiten.
ER: Ich kann erkl"aren, warum ich so schroff mit Ihnen war. Ich sp"urte, dass man mich entern will. Das gefiel mir nicht, und ich war gezwungen, mich zu verteidigen. Wenn unsere weitere Unterhaltung ohne erotische Anspielungen verlaufen wird, werde ich mich frei f"uhlen und mit Vergn"ugen mit Ihnen "uber Gott und die Welt plaudern.
SIE: Sagen Sie mir direkt, was Ihnen an mir nicht passt? Bin ich h"asslich? Langweilig? Unangenehm?
ER: "Uberhaupt nicht.
SIE: Und wo ist dann das Problem?
ER: Nun, "uberlegen Sie selbst, warum sollte ich mich auf ein Abenteuer mit einer unbekannten Frau einlassen? "Ausserlich sind Sie anziehend, zweifelsohne. Wahrscheinlich wird es angenehm, mit Ihnen einzuschlafen, aber, vielleicht wache ich morgen auf und finde weder Geld noch Dokumente. Und vielleicht arbeiten Sie als Paar, mit einem Freund, der mir wegen meines Geldbeutels den Kopf einschl"agt.
SIE: Was sind Sie f"ur ein gescheiter und vorsichtiger Mensch. An alles denken Sie.
ER: In Ihren Augen ist das ein Nachteil, ich weiss. „Aber bedauernswert ist der, der alles vorhersieht“…
SIE: Und warum f"urchte ICH Sie nicht? Sie k"onnen mich doch auch ausrauben.
ER: Ich – Sie?
SIE: Warum nicht? Ich habe "ubrigens nicht wenig Geld bei mir. Hier, schauen Sie! ("Offnet die Handtasche.)
ER: (In die Tasche schauend.) Oho! Woher so viel?
SIE: Das habe ich in den letzten vier Tagen verdient. Ihr Freund schl"agt mir deshalb den Kopf nicht ein?
ER: Ich sehe, man bezahlt Ihnen nicht wenig.
SIE: Ich beklage mich nicht. Die Arbeit ist aber auch nicht leicht. Und erfordert eine hohe Qualifikation.
ER: Falls das kein Geheimnis ist, wie viel nehmen Sie?
SIE: Machen Sie sich keine Sorgen, wir einigen uns irgendwie.
ER: Ich frage nicht wegen mir, sondern im Allgemeinen.
SIE: Das h"angt von der Zeit ab, von den finanziellen M"oglichkeiten des Auftraggebers, von meiner Stimmung und noch von vielem mehr.
ER: Und trotzdem, wie viel?
SIE: Und wie viel ist es Ihnen wert?
ER: Gar nichts. Ich brauche das auch umsonst nicht. Ich interessiere mich nur aus Neugier.
SIE: Wissen Sie, was ich Ihnen sage? Wenn, zum Beispiel, in Spanien eine Dame einem Herren ein Treffen anbot – selbst in stockdunkler Nacht und an unbekanntem Ort – dann ging er dorthin, ohne zu z"ogern, ohne an den Geldbeutel zu denken oder an Gefahren. So handelten richtige Caballeros.
ER: Aber wir sind nicht in Spanien und geben keine Mantel-und-Degen-Vorstellung. Wir sind in unserer tr"uben, t"aglichen Wirklichkeit, wo es viel Hinterlist, Betrug, Verbrechen und Grausamkeit gibt. Zudem geht es nicht nur um meine Vorsichtigkeit.
SIE: Um was denn?
ER: Um offen zu sein, den L"offel in den Brei zu stecken ist angenehm auf einem sauberen Teller und nicht in einem "offentlichen Spucknapf. Entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht beleidigen.
SIE: Vielleicht wollten Sie das nicht, aber Sie haben beleidigt. Aber nicht mit groben Worten, nein, die habe ich schon von Ihnen geh"ort, sondern damit, dass Sie mich einfach nicht wollen. Und f"ur eine Frau gibt es keine gr"ossere Beleidigung, als zu wissen, dass sie unerw"unscht ist.