Lebens-Ansichten des Katers Murr / Житейские воззрения кота Мурра

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Ernst Theodor Amadeus Hoffmann
Lebens-Ansichten des Katers Murr
Hoffmann Ernst Theodor Wilhelm
Lebens-Ansichten des Katers Murr
Vorwort des Herausgebers E. T. A. Hoffmann
Keinem Buche ist ein Vorwort notiger, als gegenwartigem; da es, wird nicht erklart, auf welche wunderliche Weise es sich zusammengefugt hat, als ein zusammengewurfeltes Durcheinander erscheinen durfte.
Daher bittet der Herausgeber den gunstigen Leser, wirklich zu lesen, namlich dies Vorwort.
Besagter Herausgeber hat einen Freund, mit dem er ein Herz und eine Seele ist, den er ebenso gut kennt, als sich selbst. Dieser Freund sprach eines Tages zu ihm ungefahr also:»Da du, mein Guter, schon manches Buch hast drucken lassen und dich auf Verleger verstehst, wird es dir ein leichtes sein, irgendeinen von diesen wackern Herren aufzufinden, der auf deine Empfehlung etwas druckt, was ein junger Autor von dem glanzendsten Talent, von den vortrefflichsten Gaben vorher aufschrieb. Nimm dich des Mannes an, er verdient es.«
Der Herausgeber versprach, sein Bestes zu tun fur den schriftstellerischen Kollegen. Etwas verwunderlich wollt es ihm nun wohl bedunken, als sein Freund ihm gestand, dass das Manuskript von einem Kater, Murr geheissen, herruhre und dessen Lebensansichten enthalte; das Wort war jedoch gegeben, und da der Eingang der Historie ihm ziemlich gut stilisiert schien, so lief er sofort, mit dem Manuskript in der Tasche, zu dem Herrn Dummler Unter den Linden und proponierte ihm den Verlag des Katerbuchs.
Herr Dummler meinte, bis jetzt habe er zwar nicht unter seinen Autoren einen Kater gehabt, wisse auch nicht, dass irgendeiner seiner werten Kollegen mit einem Mann des Schlages bis jetzt sich eingelassen, indessen wolle er den Versuch wohl machen.
Der Druck begann, und dem Herausgeber kamen die ersten Aushangebogen zu Gesicht. Wie erschrak er aber, als er gewahrte, dass Murrs Geschichte hin und wieder abbricht und dann fremde Einschiebsel vorkommen, die einem andern Buch, die Biographie des Kapellmeisters Johannes Kreisler enthaltend, angehoren.
Nach sorgfaltiger Nachforschung und Erkundigung erfuhr der Herausgeber endlich folgendes: Als der Kater Murr seine Lebensansichten schrieb, zerriss er ohne Umstande ein gedrucktes Buch, das er bei seinem Herrn vorfand, und verbrauchte die Blatter harmlos teils zur Unterlage, teils zum Loschen. Diese Blatter blieben im Manuskript und – wurden, als zu demselben gehorig, aus Versehen mit abgedruckt!
De- und wehmutig muss nun der Herausgeber gestehen, dass das verworrene Gemisch fremdartiger Stoffe durcheinander lediglich durch seinen Leichtsinn veranlasst, da er das Manuskript des Katers hatte genau durchgehen sollen, ehe er es zum Druck beforderte. Indessen ist noch einiger Trost fur ihn vorhanden.
Furs erste wird der geneigte Leser sich leicht aus der Sache finden konnen, wenn er die eingeklammerten Bemerkungen, Mak. Bl. (Makulatur-Blatt) und M. f. f. (Murr fahrt fort) gutigst beachten will, dann ist aber das zerrissene Buch hochst wahrscheinlich gar nicht in den Buchhandel gekommen, da niemand auch nur das mindeste davon weiss. Den Freunden des Kapellmeisters wenigstens wird es daher angenehm sein, dass sie durch den literarischen Vandalismus des Katers zu einigen Nachrichten uber die sehr seltsamen Lebensumstande jenes in seiner Art nicht unmerkwurdigen Mannes kommen.
Der Herausgeber hofft auf gutige Verzeihung.
Wahr ist es endlich, dass Autoren ihre kuhnsten Gedanken, die ausserordentlichsten Wendungen oft ihren gutigen Setzern verdanken, die dem Aufschwunge der Ideen nachhelfen durch sogenannte Druckfehler. So sprach zum Beispiel der Herausgeber im zweiten Teile seiner» Nachtstucke
Jedem jedoch das Seine! Weder der Kater Murr, noch der unbekannte Biograph des Kapellmeisters Kreisler soll sich mit fremden Federn schmucken, und der Herausgeber bittet daher den gunstigen Leser dringend, bevor er das Werklein liest, nachfolgende Anderungen zu veranstalten, damit er von beiden Autoren nicht besser oder schlechter denke, als sie es verdienen.
Ubrigens werden nur die Haupterrata bemerkt, geringere dagegen der Diskretion des gutigen Lesers uberlassen.
(Es folgt die Angabe einer Reihe von Druckfehlern.)
Schliesslich darf der Herausgeber versichern, dass er den Kater Murr personlich kennengelernt und in ihm einen Mann von angenehmen, milden Sitten gefunden hat. Er ist auf dem Umschlage dieses Buches frappant getroffen.
Berlin, im November 1819
E. T. A. Hoffmann
Vorrede des Autors Kater Murr
Schuchtern – mit bebender Brust, ubergebe ich der Welt einige Blatter des Lebens, des Leidens, der Hoffnung, der Sehnsucht, die in sussen Stunden der Musse, der dichterischen Begeisterung meinem innersten Wesen entstromten. Werde, kann ich bestehen vor dem strengen Richterstuhl der Kritik? Doch ihr seid es, ihr fuhlenden Seelen, ihr rein kindlichen Gemuter, ihr mir verwandten treuen Herzen, ja, ihr seid es, fur die ich schrieb, und eine einzige schone Trane in eurem Auge wird mich trosten, wird die Wunde heilen, die der kalte Tadel unempfindlicher Rezensenten mir schlug!
Berlin, im Mai (18–).
Murr (Etudiant en belles lettres)
UnterdrUcktes Vorwort des Autors
Mit der Sicherheit und Ruhe, die dem wahren Genie angeboren, ubergebe ich der Welt meine Biographie, damit sie lerne, wie man sich zum grossen Kater bildet, meine Vortrefflichkeit im ganzen Umfange erkenne, mich liebe, schatze, ehre, bewundere und ein wenig anbete.