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Leopold Ritter von Sacher-Masoch
Venus Im Pelz
Venus im Pelz
«Gott hat ihn gestraft und hat ihn in eines Weibes Hande gegeben.»
Ich hatte liebenswurdige Gesellschaft.
Mir gegenuber an dem massiven Renaissancekamin sass Venus. Das war aber nicht eme der Halbwelt [1] , die unter diesem Namen Krieg gegen das feindliche Gschlecht fuhrte. Sondern es war die wahrhafte Liebesgottin, gleich Mademoiselle Cleopatra.
1
Halbwelt –
Sie sass im Wohnzimmer und hatte ein Feuer angezundet. Sein Widerschein leckte in roten Flammen ihr bleiches Antlitz mit den weissen Augen und von Zeit zu Zeit ihre Fusse. Sie versuchte zu warmen.
Ihr Kopf war wunderbar, obwohl sie tote Steinaugen hatte. Aber das war auch alles, was ich von ihr sah. Die herrliche Dame hatte ihren Marmorleib in einen grossen Pelz gewickelt. Sie hat sich zitternd wie eine Katze zusammengerollt.
«Ich verstehe nicht, gnadige Frau», rief ich, «es ist doch nicht mehr kalt. Wir haben seit zwei Wochen den herrlichsten Fruhling. Sie sind offenbar nervos.»
«Ich danke fur euer Fruhjahr», sprach sie mit tiefer steinerner Stimme und nieste gleich himmlisch. Und zwar zweimal rasch nacheinander; «da kann ich es nicht aushalten. Und ich fange an zu verstehen —»
«Was, meine Gnadige?»
«Ich fange an das Unglaubliche zu glauben, das Unbegreifliche zu begreifen. Ich verstehe auf einmal die germanische Frauentugend und die deutsche Philosophie. Ich erstaune auch nicht mehr, dass ihr im Norden nicht lieben konnt. Ihr habt ja nicht einmal eine Ahnung davon, was Liebe ist.»
«Erlauben Sie, Madame», antwortete ich aufbrausend, «ich habe Ihnen keine Ursache gegeben.» Nun Sie… Die Gottliche nieste zum dritten Mal und zuckte mit Grazie die Achseln. «Nun dafur bin ich auch immer gnadig gegen Sie gewesen. Ich besuche Sie sogar von Zeit zu Zeit, obwohl ich mich jedesmal rasch erkalte. Erinnern Sie sich noch, wie wir uns das erstmal trafen?»
«Wie konnte ich es vergessen», sagte ich. «Sie hatten damals reiche braune Locken und braune Augen und einen roten Mund. Aber ich erkannte Sie doch sogleich an dem Schnitt Ihres Gesichtes und an dieser Marmorblasse. Sie trugen eine veilchenblaue Samtjacke.»
«Ja, Sie waren ganz verliebt in diese Toilette.»
«Sie haben mich gelehrt, was Liebe ist. Ihr heiterer Gottesdienst liess mich zwei Jahrtausende vergessen [2] . Und wie beispiellos vertraue ich Ihnen!»
«Nun, was die Treue betrifft —»
«Undankbarer!»
«Ich will Ihnen keine Vorwurfe machen. Sie sind zwar ein gottliches Weib, aber doch ein Weib. Und in der Liebe grausam wie jedes Weib.»
«Sie nennen grausam», sagte die Liebesgottin lebhaft. «Was das Element der Sinnlichkeit, der heiteren Liebe, die Natur des Weibes ist, sich hinzugeben, wo es liebt, und alles zu lieben, was ihm gefallt [3] .»
2
Ihr heiterer Gottesdienst liess mich zwei Jahrtausende vergessen. – Ее безмятежное служение заставило меня забыть о двух тысячелетиях.
3
Was das Element der Sinnlichkeit, der heiteren Liebe, die Natur des Weibes ist, sich hinzugeben, wo es liebt, und alles zu lieben, was ihm gefallt. – Что касается элемента чувственности, безмятежной любви, то женская природа заключается в том, чтобы заниматься любимым делом и любить все, что ему нравится.
«Gibt es fur den Liebenden etwa eine grossere Grausamkeit als die Treulosigkeit von den Geliebten?»
«Ach!» – antwortete sie. «Wir sind treu, so lange wir lieben. Aber ihr verlangt vom Weib Treue ohne Liebe, und Hingebung ohne Genuss. Wer ist da grausam? Das Weib oder der Mann? Ihr nehmt im Norden die Liebe uberhaupt zu wichtig und zu ernst. Ihr sprecht von Pflichten, wo nur vom Vergnugen die Rede sein sollte.»
«Ja, Madame, wir haben dafur auch sehr achtbare und tugendhafte Gefuhle und dauerhafte Verhaltnisse.»
«Und doch diese ungesattigte Sehnsucht nach dem nackten Heidentum», fiel Madame ein. «Aber jene Liebe, welche die hochste Freude, die gottliche Heiterkeit selbst ist, taugt nicht fur euch Modernen, euch Kinder der Reflexion [4] . Sie bringt euch Unheil. Sobald ihr naturlich sein wollt, werdet ihr gemein. Euch erscheint die Natur als etwas Feindseliges. Ihr habt aus uns Gottern Griechenlands, Damonen, aus mir eine Teufelin gemacht. Ihr konnt mich nur bannen und verfluchen oder euch selbst in bacchantischem Wahnsinn [5] vor meinem Altar als Opfer schlachten. Und hat einmal einer von euch den Mut gehabt, meinen roten Mund zu kussen? So pilgert er dafur barfuss nach Rom und erwartet Bluten von dem durren Stock. Unter meinem Fuss wachsen zu jeder Stunde Rosen, Veilchen und Myrten. Aber ihr bekommt Duft nicht. Euch bleibt nur in eurem nordischen Nebel und christlichem Weihrauch. Lasst uns Heiden unter den Trummern, unter der Lava ruhen. Grabt uns nicht aus. Fur euch wurde Pompeji, fur euch wurden unsere Villen, unsere Bader, unsere Tempel nicht gebaut. Ihr braucht keine Gotter! Uns friert in eurer Welt!» Die schone Marmordame hustete und zog die dunkeln Zobelfelle um ihre Schultern noch fester zusammen.
4
Aber jene Liebe, welche die hochste Freude, die gottliche Heiterkeit selbst ist, taugt nicht fur euch Modernen, euch Kinder der Reflexion. –
5
in bacchantischem Wahnsinn – в вакхическом безумии
«Wir danken fur die klassische Lektion», antwortete ich. «Aber Sie konnen doch nicht leugnen, dass Mann und Weib von Natur Feinde in Ihrer heiteren sonnigen Welt ebenso gut wie in unserer nebligen sind. Die Liebe vereint fur die kurze Zeit zu einem einzigen Wesen, das nur eines Gedankens, einer Empfindung, eines Willens fahig ist, um sie dann noch mehr zu entzweien [6] . Und nun wissen Sie es besser als ich. Wer dann nicht unterwirft, wird nur zu rasch den Fuss vom anderen auf seinem Nacken fuhlen —»
6
Die Liebe vereint fur die kurze Zeit zu einem einzigen Wesen, das nur eines Gedankens, einer Empfindung, eines Willens fahig ist, um sie dann noch mehr zu entzweien. – Любовь на короткое время объединяет в единое существо, способное только на одну мысль, одно чувство, одну волю, чтобы затем еще больше разъединить.
«Und zwar in der Regel der Mann den Fuss von einem Weib», rief Frau Venus hohnisch, «was Sie wieder besser wissen als ich.»
«Naturlich, und eben deshalb mache ich mir keine Illusionen.»
«Das heisst, Sie sind jetzt mein Sklave ohne Illusionen, und ich werde Sie dafur auch ohne Erbarmen treten.»
«Madame!»
«Kennen Sie mich noch nicht, ja, ich bin grausam, weil Sie denn schon an dem Worte so viel Vergnugen finden. Habe ich nicht recht? Der Mann ist der Begehrende, das Weib das Begehrte [7] . Das ist ein ganzer und entscheidender Vorteil vom Weib. Aber die Natur hat ihm den Mann durch seine Leidenschaft preisgegeben. Und das Weib ist nicht klug, das aus ihm nicht seinen Sklaven, sein Spielzeug macht und ihn lachend verrat.»
7
Der Mann ist der Begehrende, das Weib das Begehrte. – Мужчина – желанный, женщина – желанная.
«Ihre Grundsatze, meine Gnadige», warf ich entrustet ein.
«Beruhen auf tausendjahriger Erfahrung», sagte Madame spottisch. Ihre weissen Finger spielten in dem dunkeln Pelz. «Je hingebender das Weib ist, um so schneller wird der Mann nuchtern und herrisch. Je grausamer und treuloser es aber ist, je mehr es ihn misshandelt, je frevelhafter es mit ihm spielt, je weniger Erbarmen es zeigt, um so mehr wird es die Wollust vom Mann erregen, von ihm geliebt werden. So war es zu allen Zeiten, seit Helena und Delila, bis zur zweiten Katharina und Lola Montez.»