Bitterschokolade (Горький шоколад)
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»Wirklich?«
»Ja«, sagte Eva. »Wirklich. Ich werde mit dir lernen.«
Franziska, schlank, mit einem leichten Duft nach Flieder, legte ihre Arme um Evas Hals und gab ihr einen Kuss auf die Backe. »Du bist ein Schatz.«
Eva stand steif und unbeholfen unter dieser Berьhrung.
Michel kam am Freitag. Eva sah ihn schon von weitem. »Hallo, Eva.«
Sie setzte sich neben ihn und berьhrte seine Backe, eine dick geschwollene Backe mit einem blдulich violetten Bluterguss.
»Wer war das?«, fragte sie.
»Mein Vater. Wegen Frank. Unter Brьdern schlдgt man sich nicht, sagt er.«
Eva schwieg.
»Ich bin froh, wenn ich endlich wegfahren kann. Am einunddreiЯigsten Juli. Um vierzehn Uhr sechzehn geht mein Zug.«
»Ja«, sagte Eva. Und dann:
»Es ist nicht so schlimm«, antwortete Michel. »Gehirnerschьtterung. In zwei Wochen darf er wieder heim.«
»Willst du eine Cola?«
Michel nickte.
Sie gingen nebeneinander her, ohne sich zu berьhren, setzten sich unter die Platane, an denselben Tisch wie beim ersten Mal, und bestellten Cola.
»Der Frank ist schuld«, sagte Michel. »Hast du sein Messer gesehen?«
»Ja.«
»Er lдuft immer mit einem Messer herum. Jeder weiЯ das und jeder hat Angst davor, sich mit ihm anzulegen. Auch Petrus sagt das. Er war gestern Abend bei uns. Mein Vater wollte ihn erst nicht reinlassen. Er sagt, der Petrus ist schuld, er hдtte auf uns aufpassen mьssen. Dafьr wьrde er bezahlt. Aber dann hat er doch mit ihm geredet. Deswegen durfte ich heute kommen.«
»Ich habe schon gestern und vorgestern auf dich gewartet.«
»Petrus hat gesagt, dass ich kommen muss.«
»Wдrst du sonst nicht gekommen?«
»Ich weiЯ nicht.« Michel sah unglьcklich aus. »Ich habe mich geschдmt«, sagte er.
»Warum?«
»Ich weiЯ nicht.« Er sprach sehr langsam. »Wegen allem halt. Weil ich mich geprьgelt habe. Und weil Frank im Krankenhaus ist.«
Eva bestellte noch zwei Cola. »Michel, warum bist du denn so wьtend geworden? Warum hast du ihn nicht einfach stehen lassen und bist weggegangen?«
»Das hat mich Petrus auch gefragt.«
»Und was hast du ihm geantwortet?«
»Dass Frank dich beleidigt hat.«
Eva fьhlte, wie sie ganz zittrig wurde innen, sie fьhlte sich schwach und ihr Magen wurde zu einem Klumpen.
»Weil er gesagt hat, dass ich ein FettkloЯ bin?«
Michel wurde rot, schaute auf sein Glas, nickte.
»Aber ich bin dick«, sagte Eva und der Klumpen in ihrem Bauch lцste sich. »Ich bin ein FettkloЯ.« Sie musste lachen. »Hast du das denn nicht gesehen, Michel?«
»Schon«, sagte er. »Natьrlich habe ich es gesehen.«
Der Klumpen war ganz weg, ganz weich war ihr Bauch und angenehm warm. Eva legte ihre Hдnde auf den Tisch. Mit der linken Hand, die das Colaglas umklammert hatte, ganz dicht an ihrem Kцrper, schob sie das Glas weiter in die Mitte des Tisches, und die rechte, die sie vorher auf ihrem SchoЯ liegen gehabt hatte, fest zu einer Faust geballt, legte sie offen auf den Tisch, nahe zu Michels Hдnden.
»Trotzdem, den Frank geht es einen ScheiЯdreck an, ob du dick bist oder nicht.«
Er nahm ihre Hand.
Sie gingen am Fluss entlang.
»Bald fahre ich weg«, sagte Michel.
Eva nickte. »Schreibst du mir?«
»Natьrlich. Du mir auch?«
Michel legte den Arm um sie. Eva lachte und schaute den Vorьbergehenden direkt ins Gesicht. »Schaut her«, hдtte sie am liebsten laut gerufen. »Schaut alle her! Ich habe jemand. Ich, die dicke Eva, habe einen Freund.«
Sie waren aus den Anlagen heraus, gingen am Ufer
entlang, ьber Kies und moosbewachsene Steine. EvЈ ging langsam, vorsichtig. Sie wusste, "was kommer wьrde.
Sie trafen einen Angler, der reglos dastand und der rotweiЯen Schwimmer an seiner Angelschnur beobachtete, der weit drauЯen in der Strцmung trieb.
Dann war niemand mehr.
Michel ging vor, bahnte den Weg durch das Buschwerk und hielt die Zweige zur Seite. Auf einer kleiner Lichtung setzten sie sich ins Gras. Eva pflьckte einer Grashalm und kaute darauf herum. Er schmeckte bitter.
»WeiЯ deine Mutter, dass du bei mir bist?«, fragte Michel.
»Nein, sie denkt, ich wдre bei einer Freundin.«
Michel lachte. »Ich habe zu Hause auch nichts gesagt, wegen Ilona.«
»Meint sie immer noch, dass ich an allem schule bin?«
»Ja. Sie liebt Frank. Ich weiЯ auch nicht, warum.«
»Dich nicht?«
»Doch. Mich auch.«
Sie lagen nebeneinander im Gras, dicht nebeneinander.
Eva war wehrlos unter Michels Streicheln, seinen Atem an ihrem Hals, seinen Hдnden.
»Nein«, sagte sie. »Nicht.«
»Nicht«, sagte sie. »Noch nicht.«
Sie richtete sich auf. »Ich will nicht. Nicht jetzt.«
»Aber du bist doch mein Mдdchen«, sagte Michel hilflos. »Ich bin dein Freund. Du brauchst doch keine Angst vor mir zu haben.«
Angst? War das Angst?
Sie nahm einen Kдfer, der ьber ihr Bein krabbelte, vorsichtig zwischen Daumen und Zeigefinger und setzte ihn zurьck ins Gras. Dann streckte sie sich wieder neben Michel aus.
»Die Sonne blendet.«
»Jetzt nicht mehr.« Michel legte sein Gesicht ьber ihres. Eva hцrte eine Hummel an ihrem Ohr vorbeibrummen. Sie kьssten sich. Michels Augen waren nicht mehr so braun, um die Pupillen herum hatte er graugrьne Flecken. Wie lang seine Wimpern waren!