Die weisse Massai
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Ein Krieger kommt zur"uck und hilft mir durch den Fluss. Auch ich sinke oft bis zu den Knien ein. Lketinga steht stolz und wild neben dem Wagen und meint, ich solle jetzt den Schl"ussel hergeben. „I don't have it!“
schreie ich entr"ustet. Ich gehe zum Wagen und suche erneut al es ab, nichts.
Ungl"aubig sch"uttelt Lketinga den Kopf und sucht selbst.
Es dauert nur ein paar Sekunden, und dann h"alt er den Schl"ussel in der Hand. Er sei zwischen dem Sitz und der R"uckenlehne eingeklemmt gewesen. Wie dies passieren konnte, ist f"ur mich ein R"atsel. F"ur ihn dagegen ist klar, dass ich ihn versteckt habe, weil ich nicht durch den River wollte. Schweigend fahren wir nach Hause.
Als wir Barsaloi endlich erreichen, ist es bereits Nacht. Nat"urlich gehen wir zuerst zu Mama in die Manyatta. Mein Gott, freut sie sich! Sofort nimmt sie Napirai an sich und segnet sie, indem sie die Fusssohlen, Handfl"achen und die Stirne bespuckt und dabei zu Enkai betet. Auch zu mir sagt sie einiges, was ich nicht verstehe. Der Qualm bereitet mir Schwierigkeiten, und auch Napirai hustet. Doch die erste Nacht bleiben wir bei ihr.
Am Morgen wollen einige Leute mein Baby sehen, doch Mama erkl"art, ich d"urfe die ersten Wochen das Kind niemandem zeigen, ausser denen, die sie mir erlaubt.
Ich verstehe das nicht und frage: „Warum, sie ist doch so sch"on!“ Lketinga schimpft, ich d"urfe nicht sagen, sie sei sch"on, das bringe nur Ungl"uck. Fremde d"urfen sie nicht anschauen, weil sie ihr B"oses anw"unschen k"onnten. In der Schweiz zeigt man stolz seine Kinder, hier muss ich meine Tochter verstecken oder wenn ich hinausgehe, ihr den Kopf mit einem Kanga zudecken. Es f"allt mir sehr schwer.
Seit drei Tagen sitze ich fast den ganzen Tag mit meinem Baby in der dunklen Manyatta, w"ahrend Mama den Eingang bewacht. Mein Mann bereitet ein Fest zur Geburt seiner Tochter vor. Daf"ur muss ein grosser Ochse geschlachtet werden.
Mehrere Alte sind anwesend, verzehren das Fleisch und segnen daf"ur unsere Tochter. Ich bekomme die besten St"ucke, um mich zu st"arken.
Nachts tanzen einige Krieger ihm zu Ehren mit meinem Mann. Nat"urlich m"ussen auch sie sp"ater verpflegt werden. Mama hat mir eine "ubel riechende Fl"ussigkeit gebraut, die mich vor weiteren Krankheiten sch"utzen sol. W"ahrend ich sie austrinken muss, schauen alle zu und sprechen den „Enkai“ f"ur mich. Schon nach einem Schluck wird mir schlecht von diesem Gebr"au. Unauff"allig versch"utte ich so viel wie m"oglich.
Zum Fest kommen auch der Veterin"ar und seine Frau, wor"uber ich sehr froh bin.
Zu meiner "Uberraschung vernehme ich, dass das Blockhaus neben dem ihren frei geworden ist. Jetzt freue ich mich riesig auf ein neues Haus mit zwei Wohnr"aumen und einem WC direkt im Haus. Am n"achsten Tag ziehen wir aus dem zugigen Shop in das etwa 150 Meter entfernte Blockhaus. Zuerst muss ich gr"undlich putzen. Mama h"utet inzwischen unsere Tochter vor dem Haus. Sie h"alt das Kind so geschickt unter ihren Kangas versteckt, dass es gar nicht auff"al t.
Immer wieder kommen Leute zum Shop und wollen etwas kaufen. Er sieht leer und verkommen aus. Das Kreditb"uchlein ist fast voll. Das eingenommene Geld reicht wieder nicht f"ur einen Laster, aber im Moment wil und kann ich nicht arbeiten. So bleibt der Laden geschlossen.
T"aglich bin ich bis mittags damit besch"aftigt, die verschmutzten Windeln vom Vortag zu waschen. Meine Kn"ochel sind in kurzer Zeit v"ollig wund. So kann es nicht weitergehen. Ich suche ein M"adchen, das mir im Haushalt helfen kann und vor allem die W"asche erledigt, damit mir mehr Zeit f"ur Napirai und das Kochen bleibt. Lketinga organisiert eine ehemalige Sch"ulerin. F"ur etwa 30 Franken im Monat plus Essen ist sie bereit, Wasser zu holen und zu waschen. Nun kann ich endlich mein T"ochterchen geniessen. Sie ist so h"ubsch und fr"ohlich und weint fast nie. Auch mein Mann liegt viele Stunden mit ihr unter dem Baum vor der Blockh"utte.
Allm"ahlich habe ich den Tagesablauf im Griff. Das M"adchen arbeitet sehr langsam, und ich finde keinen rechten Zugang zu ihr. Mir f"al t auf, dass das Waschmittel rasch schwindet. Unser Reis- und Zuckervorrat nimmt ebenfalls rapide ab. Nachdem Napirai bei jeder nassen Windel sofort schreit und ich feststelle, dass sie zwischen den Beinen feuerrot und wund ist, wird es mir zuviel. Ich spreche das M"adchen auf diese Dinge an und erkl"are ihr, dass sie die Windeln so lange sp"ulen muss, bis keine Omo-Reste mehr vorhanden sind. Sie zeigt sich eher desinteressiert und meint, mehr als einmal Wasserholen am River sei zuviel f"ur das gebotene Geld. Ver"argert schicke ich sie wieder nach Hause. Lieber wasche ich selber.
Hunger
Die Menschen werden ungeduldig, weil sie hungern. Schon mehr als einen Monat sind die Shops leer, und jeden Tag kommen Leute zu unserem Haus, um zu fragen, wann wir wieder "offnen. Im Moment jedoch sehe ich keine M"oglichkeit, wieder zu arbeiten. Ich m"usste dazu nach Maralal und einen Laster organisieren. Mit unserem Wagen aber habe ich zu grosse Angst, mit dem Baby irgendwo steckenzubleiben. Die Gangschaltung ist nur notd"urftig gerichtet, das Z"undschloss v"ollig verw"urgt und manches andere reparaturbed"urftig.
Eines Tages kommt der Mini-Chief zu uns und beklagt sich "uber den Hunger der Leute. Er weiss, dass noch einige Maismehls"acke im Shop sind und bittet uns, wenigstens diese zu verkaufen. Widerwillig gehe ich in den Shop, um die S"acke zu z"ahlen. Mein Mann kommt mit. Als wir jedoch den ersten Sack "offnen, wird mir fast "ubel. Obenauf kriechen fette, weisse Maden, dazwischen tummeln sich kleine, schwarze K"afer. Wir "offnen die anderen S"acke, und "uberal bietet sich das gleiche Bild. Der Chief stochert im Sack herum und meint, nach der oberen Schicht w"urde es besser. Doch ich weigere mich, dieses Zeug unter die Leute zu bringen. Inzwischen scheint es sich in Windeseile herumgesprochen zu haben, dass wir noch Maismehl besitzen. Immer mehr Frauen stehen im Shop und sind bereit, auch dieses zu kaufen. Wir besprechen die Lage, und ich biete an, alles zu verschenken. Das lehnt der Mini-Chief ab und sagt, das w"urde in kurzer Zeit zu Mord und Totschlag f"uhren, wir sollen zu einem bil igeren Preis verkaufen. Mittlerweile stehen f"unfzig oder mehr Personen im und vor dem Shop und halten ihre S"acke und T"uten auf. Ich aber kann nicht in diese S"acke greifen, da es mich vor dem Gekrabbel der Maden graust.
Schliesslich habe ich auch noch Napirai auf dem Arm. Ich sehe los, um zu Hause bei Mama nach dem "alteren Bruder zu suchen. Er ist da und kommt mit zum Shop.
Napirai gebe ich Mama. Wir kommen gerade noch rechtzeitig. Der Chief hindert die Leute daran, den Laden zu st"urmen, w"ahrend Lketinga verkauft. Jede Person darf nur maximal drei Kilogramm kaufen. Ich lege die Kilosteine auf die Waage und kassiere. Die beiden M"anner f"ul en das unappetitliche Maismehl ab. Wir arbeiten wie verr"uckt und sind froh, dass der Chief einigermassen Ordnung h"alt. Gegen 20 Uhr sind alle S"acke verkauft, und wir sind v"ol ig erledigt. Aber endlich ist wieder etwas Geld in der Kasse.