Die weisse Massai
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Dabei wurde ich so oft krank in Barsaloi, doch ich blieb da, weil ich ihn liebte.
Vieles hat sich ver"andert, seit ich Napirai zur Welt brachte. Eines Tages hat er behauptet, dieses Kind sei nicht von ihm. Seit diesem Tag ist meine Liebe zerbrochen. Die Tage sind vergangen mit H"ohen und Tiefen, und er hat mich oft schlecht behandelt.
Sophia, ich sage Dir bei Gott, ich hatte nie einen anderen Mann, nie! Dennoch musste ich mir dies von morgens bis abends anh"oren. In Mombasa habe ich meinem Mann und mir noch eine Chance gegeben. Aber so kann ich nicht weiterleben. Er selbst merkt es nicht einmal! Ich habe alles aufgegeben, sogar mein Heimatland.
Sicher habe auch ich mich ver"andert, doch ich denke, das ist unter diesen Umst"anden normal. Es tut mir sehr leid f"ur ihn und f"ur mich. Wo ich in Zukunft bleiben kann, weiss ich noch nicht.
Mein gr"osstes Problem ist Lketinga. Er hat nun niemanden mehr f"ur den Shop, den er nicht managen kann. Bitte lass mich wissen, ob er ihn behalten will. Ich w"are froh, wenn er damit zurecht k"ame, wenn nicht, soll er alles verkaufen. Das gleiche gilt f"ur den Wagen. Napirai bleibt bei mir. Ich weiss, sie ist so gl"ucklicher. Bitte, Sophia, k"ummere Dich ein bisschen um Lketinga, er wird nun viele Probleme haben. Leider kann ich ihm nicht viel helfen. Wenn ich nochmals nach Kenia k"ame, w"urde er mich niemals mehr in die Schweiz zur"ucklassen.
Sein Bruder James kommt hoffentlich nach Mombasa. Ich habe ihm geschrieben. Bitte hilf ihm mit Gespr"achen. Mir ist bewusst, auch Du hast viele Probleme, und ich hoffe f"ur Dich, sie werden sich bald l"osen. Ich w"unsche Dir, dass al es gut wird und Du auch wieder eine weisse Freundin findest. Napirai und ich werden Euch nie vergessen. Ich w"unsche Dir al es Gute und viele Gr"usse Corinne
Ich danke al en meinen Freundinnen, die mich in der Zeit des Schreibens unterst"utzt haben, namentlich vor allem:
Hanny Stark, die mich motiviert hat, dieses Buch "uberhaupt zu schreiben und Anneliese Dubacher, die mein handschriftliches Manuskript in m"uhsamer Arbeit auf den Computer "ubertragen hat.
Buchtipps:
Stefanie Gercke
Ich kehre zur"uck nach Afrika
ISBN 3-426-61498-7
Als die junge Henrietta Ende der f"unfziger Jahre auf Geheiss ihrer Eltern nach S"udafrika zieht, ist dies eigentlich als Strafe gedacht. Doch Henrietta ist gl"ucklich, dass sie der Enge und den Konventionen ihrer Heimatstadt entfliehen kann, und baut sich in dem fremden Land ein neues, gl"uckliches Leben auf. Als sie den Schotten Ian kennenlernt, scheint ihr Gl"uck vol kommen. Doch bald geraten sie mit dem System der Rassentrennung in Konflikt…
Der grosse Schicksalsroman einer Frau, die ihren Traum von Afrika zu verwirklichen sucht!
Knaur Taschenbuch Verlag
Leseprobe aus Stefanie Gercke
Ich kehre zur"uck nach Afrika
Dienstag, den 26. M"arz 1968
Durch das Dr"ohnen der Flugzeugmotoren meinte sie die Stimme ihres Vaters zu h"oren, traurig und voller Sehnsucht. „Du bist in Afrika geboren, auf einer kleinen Insel im weiten, blauen Meer.“ Seine Worte waren so klar wie damals, vor fast dreiundzwanzig Jahren. Sie sah ihn am Fenster lehnen, das blind war von dem peitschenden Novemberregen, seine breiten Schultern nach vorn gefallen, und ihr war, als vern"ahme sie wieder die windverwehte Melodie von sanften kehligen Stimmen, als stiege ihr dieser Geruch von Rauch und feuchter, warmer Erde in die Nase. „Afrika“, hatte er gefl"ustert, und sie wusste, dass er den dunklen Novemberabend nicht sah, dass er weit weg war von ihr, in diesem fernen, leuchtenden Land, dessen Erinnerung ihm, ihrem turmgrossen, starken Vater, die Tr"anen in die Augen trieb.
Die Stirn gegen das kalte Fenster des grossen Jets gepresst, sah sie hinunter auf das Land, das sie liebte, ihr Paradies. Ein Schluchzen stieg ihr in die Kehle. Sie sch"uttelte ihre dichten, honigfarbenen Haare sch"utzend vor das Gesicht. Niemand durfte ihr etwas anmerken, niemand durfte wissen, dass sie dieses Land f"ur immer verliess, niemand! Besonders nicht der Kerl da vorne, der in dem hel en Safarianzug mit dem schwarzen B"urstenschnurrbart, der so ruhig an der Trennwand zur ersten Klasse lehnte. Vorhin, als sie einstieg, stand er zwischen den Sitzen in einer der letzten Reihen. Sein Genick steif wie ein Stock, liess er seine Augen st"andig "uber seine Mitpassagiere wandern. Von Gesicht zu Gesicht, jede ungew"ohnliche Regung registrierend, ohne Unterlass. Daran hatte sie ihn erkannt, an dem ruhelosen, lauernden Ausdruck seiner Augen. Einer von BOSS, dem Bureau of State Security, ein Agent der Staatssicherheit, der gef"urchtetsten Institution S"udafrikas. BOSS, die eine Akte "uber sie f"uhrten.
Tief unter ihr glitt die K"uste von Durban dahin. Die Bougainvilleen leuchteten allenthalben wie rosafarbene Juwelen auf den sattgr"unen Polstern gepflegter Rasenfl"achen. Ihre Augen ertranken in stil en Tr"anen.
Reiss dich zusammen, heulen kannst du sp"ater!
So verharrte sie lautlos, sass v"ollig bewegungslos, zwang sich, das Schluchzen hinunterzuschlucken. Sie tat es f"ur ihre Kinder, ihre Zwil inge, Julia und Jan, den Mittelpunkt ihrer kleinen Familie, die ganz still neben ihr in den Sitzen hockten.
Ihre Gesichter, von der afrikanischen Sonne tief gebr"aunt, waren angespannt und blass, ihre Augen in verst"andnisloser Angst aufgerissen. Obwohl sie sich bem"uht hatte, sich nichts anmerken zu lassen, mussten sie dennoch etwas gesp"urt haben.
Sie waren gerade erst vier Jahre alt geworden. Viel zu jung, um so brutal aus ihrem beh"uteten Dasein gerissen zu werden, zu klein, um zu verstehen, dass von nun an nichts mehr so sein w"urde, wie es bisher war. Vor wenigen Wochen erst hatten sie mit einer "uberm"utigen Kuchenschlacht ihren Geburtstag gefeiert, doch Henrietta hatte M"uhe, sich daran zu erinnern, denn die folgenden Ereignisse t"oteten alles andere in ihr, ihre Gef"uhle, ihre Erinnerungen, ihre Sehns"uchte. Es war, als w"uchse ein b"osartiges Geschw"ur in ihr, das sie ausf"ul te und langsam von innen auffrass.
Das metal ische Signal des bordinternen Lautsprechers schnitt scharf durch das sie umgebende Stimmengesumm. Das Ger"ausch kratzte "uber ihre rohen Nerven, sie zuckte zusammen, fing die Bewegung aber sofort auf. Um keinen Preis auffallen! Nur nicht in letzter Sekunde die Fassung verlieren und den Mann gef"ahrden, der dort unten, irgendwo in dem unwegsamen, feuchtheissen, schlangenverseuchten Buschurwald im Norden Zululands versuchte, "uber die Grenze nach Mocambique zu gelangen. Ihr Mann. Es war ihr pl"otzlich, als sp"ure sie seine Hand in der ihren. So stark war ihre Vorstellungskraft, dass sie seine W"arme f"uhlte. Sie str"omte in ihren Arm und breitete sich wohlig in ihr aus, so als teilten sie denselben Blutkreislauf. Sie wusste, solange diese Hand die ihre hielt, konnte ihr nie etwas wirklich Furchtbares passieren. Ihr nicht und Julia und Jan nicht. Sie schloss die Augen und gab sich f"ur einen Augenblick dieser kostbaren W"arme und Geborgenheit hin.
Doch ebenso pl"otzlich war es vorbei, es fr"ostelte sie. Eiskalte Angst ergriff ihre Seele. Denn sollte der Agent von Boss misstrauisch werden, merken, dass sie auf der Flucht war und nicht die Absicht hatte, nach S"udafrika zur"uckzukehren, w"urden sie ihn fangen, bevor er die Grenze "uberquert hatte. Verschn"urt wie Schlachtvieh, w"urden sie ihn in ein vergittertes Auto werfen und dann in einem ihrer ber"uchtigten Gef"angnisse verschwinden lassen. Als Staatsfeind unter dem 180-Tage-Arrest-Gesetz, einhundertachtzig Tage ohne Anklage, ohne Verurteilung und ohne die M"oglichkeit f"ur den Gefangenen, einen Anwalt oder auch nur seine Familie zu benachrichtigen. Nach 180 Tagen w"urden sie ihn freilassen aus der dumpfen, d"ammrigen Zelle, zwei, drei Schritte in den strahlenden afrikanischen Sonnenschein machen lassen, die Freiheit des endlosen Himmels kosten, um ihn auf der Stel e f"ur weitere 180 Tage zu inhaftieren. „Bis die H"olle zufriert“, pflegte Dr. Piet Kruger, Generalstaatsanwalt von S"udafrika, zynisch zu bemerken. Irgendwann w"urden sie ihn mit gef"alschten Anschuldigungen vor Gericht stellen und dann f"ur viele Jahre qualvoll hinter Gittern verrotten, zum Tier verkommen lassen. Ihr wurde spei"ubel von den Bildern, die sich ihr aufdr"angten.