Die weisse Massai
Шрифт:
Mein Mann durchsucht meine Taschen und riecht an jeder Zigarette, die ich mir anz"unde. Daheim erz"ahlt er es Priscil a und jedem, der es h"oren wil. Alle sind nat"urlich entsetzt, und ich komme mir miserabel vor. Bei jedem Gang zur Toilette begleitet er mich. Zum Shop im Village darf ich schon gar nicht mehr. Ich bin nur noch in unserem Gesch"aft, und zu Hause hocke ich auf dem Bett. Das einzig Wichtige ist mein Kind. Napirai scheint zu sp"uren, dass es mir schlecht geht. Sie bleibt die meiste Zeit bei mir und plappert „Mama, Mama“ und ein paar unverst"andliche Worte. Priscil a hat sich von uns zur"uckgezogen. Sie will keinen "Arger.
Die Arbeit bereitet mir keine Freude mehr. Lketinga ist st"andig um uns. Entweder im Shop oder von der China-Bar aus werde ich kontrolliert. Bis zu dreimal am Tag stel t er meine Tasche auf den Kopf. Einmal kommen wieder Schweizer Touristen.
Ich mag mich nicht gross mit ihnen unterhalten und erkl"are, dass ich mich nicht wohl f"uhle und Magenschmerzen habe. Mein Mann kommt gerade hinzu, als eine Schweizerin Napirai bewundert und arglos die "Ahnlichkeit zu dem Kinderm"adchen feststellt. Wieder kl"are ich die Besucherin auf, als Lketinga fragt: „Corinne, why all people know, this child is not yours?“
Mit diesem Satz hat er meine letzte Hoffnung und meinen letzten Respekt vor ihm vernichtet.
Wie in Trance stehe ich auf und gehe ins Chinarestaurant hin"uber, ohne auf die Fragen der anderen zu reagieren. Den Besitzer bitte ich um ein Telefongespr"ach. Ich lasse mich mit dem Swissair-Office in Nairobi verbinden und frage nach dem n"achstm"oglichen Flug f"ur mich und mein eineinhalbj"ahriges M"adchen nach Z"urich.
Es dauert eine Weile, bis ich die Auskunft erhalte, in vier Tagen sei noch Platz frei.
Mir ist klar, dass telefonische Buchungen von Privatpersonen nicht m"oglich sind, doch ich bitte die Dame eindringlich, mir die Pl"atze zu reservieren. Ich k"onne erst einen Tag vor Abflug die Tickets abholen und bezahlen. Aber es sei sehr wichtig, und ich k"ame auf jeden Fal. Mein Herz klopft bis zum Hals, als ich ihr „okay“ entgegennehme.
Langsam kehre ich zum Shop zur"uck und sage ohne Umschweife, dass ich ferienhalber in die Schweiz fliege. Lketinga lacht zuerst unsicher, um dann zu erkl"aren, ohne Napirai k"onne ich gehen, so sei er sicher, dass ich wiederkomme.
M"ude erwidere ich, dass mein Kind mit mir fliegt. Ich komme wieder, wie immer, aber ich brauche nach dem Shop-Stress Erholung, bevor die Hochsaison im Dezember beginnt. Lketinga ist nicht einverstanden und will mir auch keine Ausreiseerlaubnis unterschreiben. Trotzdem packe ich zwei Tage sp"ater. Priscil a und auch Sophia sprechen mit ihm. Alle sind "uberzeugt, ich komme wieder.
Flucht
Am letzten Tag lasse ich alles zur"uck. Mein Mann will, dass ich nur wenige Sachen f"ur Napirai einpacke. Ich gebe ihm al e Kontokarten der Bank, damit er sieht, dass ich wiederkommen muss. Wer gibt schon freiwillig so viel Geld, einen Wagen und ein voll eingerichtetes Gesch"aft auf?
Hin- und hergerissen, ob er es glauben soll oder nicht, begleitet er Napirai und mich nach Mombasa. Kurz vor unserer Abfahrt nach Nairobi hat er immer noch nicht unterschrieben. Zum letzten Mal bitte ich ihn, denn fahren werde ich auf jeden Fall.
Ich bin innerlich so ausgebrannt, so gef"uhllos, dass keine Tr"ane mehr kommt.
Der Fahrer startet den Motor. Lketinga steht neben uns im Bus und l"asst sich von einem Mitreisenden zum wiederholten Mal mein beschriebenes Blatt "ubersetzen, auf dem zu lesen ist, dass ich die Erlaubnis meines Mannes, Lketinga Leparmorijo, habe, Kenia gemeinsam mit unserer Tochter Napirai f"ur drei Wochen Urlaub in der Schweiz zu verlassen.
Der Busfahrer hupt zum dritten Mal. Lketinga kritzelt sein Zeichen auf das Papier und sagt: „I don't know, if I see you and Napirai again!“
Dann springt er aus dem Bus, und wir fahren los. Erst jetzt rol en meine Tr"anen.
Ich schaue aus dem Fenster und verabschiede mit jedem Blick die vorbeiziehenden, vertrauten Bilder.
Lieber Lketinga,
hoffentlich kannst Du mir verzeihen, was ich Dir jetzt mitteilen muss: Ich komme nicht zur"uck nach Kenia.
Inzwischen habe ich viel "uber uns nachgedacht. Vor mehr als dreieinhalb Jahren habe ich Dich so sehr geliebt, dass ich bereit war, mit Dir in Barsaloi zu leben. Ich habe Dir auch eine Tochter geschenkt. Aber seit dem Tag, an dem Du mir vorgeworfen hast, dass dieses Kind nicht von Dir ist, habe ich nicht mehr dasselbe f"ur Dich empfunden. Auch Du hast dies bemerkt.
Nie habe ich jemanden anderen gewol t und habe Dich nie belogen. Aber in al diesen Jahren hast Du mich nie verstanden, vielleicht auch deshalb, weil ich eine
„Mzungu“ bin. Meine Welt und Deine Welt sind sehr verschieden, doch ich dachte, eines Tages stehen wir zusammen in der gleichen.
Aber jetzt, nach der letzten Chance, die wir in Mombasa hatten, sehe ich ein, dass Du nicht gl"ucklich bist und ich erst recht nicht. Wir sind immer noch jung und k"onnen nicht so weiterleben. Im Moment wirst Du mich nicht verstehen, doch nach einiger Zeit wirst auch Du sehen, dass Du mit jemandem anderen wieder gl"ucklich wirst. F"ur Dich ist es leicht, eine neue Frau zu finden, die in der gleichen Welt lebt. Aber suche jetzt eine Samburu-Frau, nicht wieder eine Weisse, wir sind zu verschieden. Du wirst eines Tages viele Kinder haben.
Ich habe Napirai mit mir genommen, denn sie ist das einzige, was mir geblieben ist. Auch weiss ich, dass ich nie mehr Kinder haben werde. Ohne Napirai k"onnte ich nicht "uberleben. Sie ist mein Leben! Bitte, bitte Lketinga, vergib mir! Ich bin nicht l"anger stark genug, um in Kenia zu leben. Dort war ich immer sehr al ein, hatte niemanden, und Du hast mich wie eine Verbrecherin behandelt. Du merkst es selber nicht, denn dies ist Afrika. Noch einmal sage ich Dir, ich habe nie etwas Unrechtes getan.