Немецкий с улыбкой. Учись смеяться не плача / Lerne lachen ohne zu weinen
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Der liebe Gott in Frankreich
Wie verschieden ist es doch so im menschlichen Leben —!
Bringt in Deutschland jemand die Gedankenvorstellungen der Kirche mit dem Humor in n"ahern Zusammenhang [9] , dann finden sich nicht nur etliche Domdechanten, sondern noch mehr Richter, die aus einem politischen Diktaturparagraphen – dem §166 – herausinterpretieren, was man nur w"unscht. In Frankreich gibt es doch immerhin dieselbe katholische Kirche ("uber den Erdkreis hinweg), aber da sieht es nun so aus:
9
in Zusammenhang bringen — связать между собой, найти связь
In den „Deux Anes [10] “ steigt eine der kleinen Revuen, "uber die wir uns schon manchmal unterhalten haben. Siebentes Bild: „Restaurant zum bekr"anzten B"urzel.“ Und weil ja in den feinen Hotels die Speisen feierlich dargebracht werden, dort also nicht gegessen, sondern das Essen zelebriert wird, so sehen wir nunmehr ein ganzes Diner auf eine recht absonderliche Weise serviert.
Vor dem Altar der Office steht der Ma^itre d’Hotel, er macht viele kleine Verbeugungen und ruft mit modulierender Stimme die Speisen aus. „Le Potage de la Vierge Printani`ere [11] “ – und Frauenstimmen aus der K"uche respondieren: „… printani`ere —!“ die G"aste nehmen keine Abendmahlzeit ein, sondern ein Abendmahl, der zweite Kellner schwenkt den Salatkorb wie eine R"aucherpfanne, die Musik spielt Gounod-Bach, und es ist – wie die Prospekte der Beerdigungsinstitute sagen – eine Mahlzeit erster Klasse. Der Ober nennt die G"aste „Nos fid`eles [12] “, was gleichzeitig treu und gl"aubig heisst, alles geht sehr schnell, und wenn es vorbei ist, dann singt der Chor der Kellner:
10
„Deux Anes” – „Два
11
Le Potage de la Vierge Printani`ere … printani`ere – Суп из весенней Девы… весенней… (фр.)
12
Nos fid`eles – наши верные/верующие/завсегдатаи (фр.)
„Av'e – av'e – avez-vous bien din'e? [13] “
Alles lacht und klatscht. In den Zeitungen kein b"oses Wort. Im Publikum kein fader Jude, dem pl"otzlich das b"ose Gewissen [14] schl"agt und der pogrom"angstlich „geschmakkkkklos“ murmelt, denn es geht nichts "uber den Katholizismus gebildet aufgekl"arter Juden; kein frommer Abgeordneter, der nun aber neue Gesetze gegen Schmutz und Schund fordert… nichts.
Eine andre Rasse, gewiss. Damit ist noch nicht bewiesen, dass es in lateinischen L"andern mit dem Humor anders sei als bei uns, gewiss.
13
Av'e – av'e – avez-vous bien din'e? – Хоро-хоро-хорошо ли вы поужинали? (фр.)
14
das b"ose Gewissen – нечистая совесть
Aber glaubt doch ja nicht, dass es, alle Leichtigkeit des franz"osischen Humors zugegeben, hier immer so gewesen ist. Die Kirche hat das Land einmal beherrscht. Und mit dem Patriotismus k"onnte man sich die gleiche Szene kaum ausdenken – da g"abe es Krach. Mit der Kirche aber…
Die hat eben – trotz allem – in Frankreich zum mindesten nicht die Macht, das "offentliche Leben so zu knebeln, wie sie das lautlos in Deutschland tut, wo alles kuscht, wenn sie bimmelt, und wo kein Mensch auf unsre Empfindungen R"ucksicht nimmt [15] , auf uns, deren Gef"uhle verletzt werden, wenn ein Pfaffe von der Kanzel herunter zum Mord hetzt. „Avez-vous bien din'e?“ Wenn man die deutsche Zentrumsherrschaft mitansieht, kann man nur sagen: Mahlzeit!
15
auf etw R"ucksicht nehmen – учитывать, принимать во внимание
Koffer auspacken
In der Fremde den Koffer auspacken, der etwas sp"ater gekommen ist, weil er sich unterwegs mit andern Koffern noch unterhalten musste: das ist recht eigent"umlich.
Du hast dich schon ein bisschen eingelebt, der T"urgriff wird leise Freund in deiner Hand, unten das Caf'e f"angt schon an, dein Caf'e zu sein, schon sind kleine Gewohnheiten entstanden… da kommt der Koffer. Du schliesst auf —
Eine Woge von Heimat f"ahrt dir entgegen.
Zeitungspapier raschelt, und auf einmal ist alles wieder da, dem du entrinnen wolltest. Man kann nicht entrinnen. Ein Stiefel guckt hervor, Taschent"ucher, sie bringen alles mit, fast peinlich vertraut sind sie dir, sch"amst du dich ihrer? Wie zu nahe Verwandte, denen du in einer fremden Gesellschaft begegnest; alle siezen dich, sie aber sagen dir: Du —! und drohen am Ende noch, sprichst du mit einer Frau, schelmisch mit dem Finger. Das mag man nicht.
Wer hat den Koffer gepackt? Sie? Eine warme Welle steigt dir zum Herzen empor. So viel Liebe, so viel Sorge, so viel M"uhe und Arbeit! Hast du ihr das gedankt? Wenn sie jetzt da w"are… Sie ist aber nicht da. Und wenn sie da sein wird, wirst du es ihr nicht danken.
Die Sachen im Koffer sprechen nicht die Sprache des Landes, nicht die Sprache der Stadt, in der du dich befindest. Ihre stumme Ordnung, ihre sachliche Sauberkeit im engen Raum sind noch von da dr"uben. Da liegen sie und sprechen schweigend. Mit etwas abwesenden Augen stehst du im Hotelzimmer und erinnerst dich nicht… nein, du bist gar nicht da – du bist da, wo sie herkommen, atmest die alte Luft und h"orst die alten, vertrauten Ger"ausche… Zwei Leben lebst du in diesem Augenblick: eines k"orperlich, hier, das ist unwahrhaftig; ein andres seelisch, das ist ganz wahr.
Ein Mann, der sich lyrisch Hosen in den Schrank h"angt! Sch"amen solltest du dich was! Tut’s ein Junggeselle, dann geht es noch an [16] ; mit sachlich ge"ubten H"anden baut er auf und packt fort, gl"attet hier und b"urstet da… Ein Verheirateter, das ist immer ein bisschen l"acherlich; wie ein pl"otzlich selbst"andiges Wickelkind ist er, ohne Muttern, etwas allein gelassen in der weiten Welt.
Der Bademantel erinnert nicht nur; in seinen Falten liegen St"ucke jener andern Welt, aus der du kamst. Das ist schon so. Aber faltest du ihn auseinander, dann fallen die St"ucke heraus, verfl"uchtigen sich, auf einmal h"angt er vertraut und doch fremd da, ein gleichg"ultiger Bademantel, den das Ganze nicht so sehr viel angeht… Und da ist etwas praktisch zusammengerollt, hier ist ein besonderer Trick des Packens zu sehn, hast du die Krawatten gestreichelt, alter Junge? Als ob du noch nie gereist w"arst!
16
es geht noch an –
Leicht irr stehst du im Zimmer, in der einen Hand einen Leisten, in der andern zwei Paar Socken, und stierst vor dich hin. Gut, dass dich keiner sieht. Um dich ist B"aumerauschen, ein Klang, Schmettern dreier Kanarienv"ogel und eine Intensit"at des fremden Lebens, die du dort niemals gef"uhlt hast. Tropfen quillen aus einem Schwamm, den du nie, nie richtig ausgepresst hast. So saftig war er? Hast du das nicht gewusst? Zu selbstverst"andlich war es, du warst undankbar – das weisst du jetzt, wo es zu sp"at ist.
Eine Parf"umflasche ist zerbrochen, das gute Laken hat einen gr"unlichen Fleck, ein Geruch steigt auf, und jetzt erinnert sich die Nase. Die hat das beste Ged"achtnis von allen! Sie bewahrt Tage auf und ganze Lebenszeiten; Personen, Strandbilder, Lieder, Verse, an die du nie mehr gedacht hast, sind auf einmal da, sind ganz lebendig, guten Tag! Guten Tag, sagst du "uberrascht, ziehst den alten Geruch noch einmal ein, aber nach dem ersten Aufblitzen der Erinnerung kommt dann nicht mehr viel, denn was nicht gleich wieder da ist, kommt nie mehr. Schade um das Parf"um, "ubrigens. Die Flasche hat unten ein h"asslich gezacktes Loch, es sieht fast so aus, wie etwas, daraus das Leben entwichen ist… Also das ist dummer Aberglaube, es ist ganz einfach eine zerbrochene Flasche.
Unten, auf dem Boden des Koffers, liegen noch ein paar Kr"umel, Reisekr"umel, Meteorstaub fremder L"ander. Jetzt ist der Koffer leer.
Und da liegen deine Siebensachen auf den St"uhlen und auf dem Bett, und nun r"aumst du sie endg"ultig ein. Jetzt ist das Zimmer satt und voll, fast schon ein kleines Zuhause, und alle Erinnerungen sind zerweht, verteilt und dahin [17] . Noch ein kleines – und du wirst dich auf deiner n"achsten Station zur"ucksehnen: nach diesem Zimmer, nach diesem dummen Hotelzimmer.
17
und dahin – и точка, и хватит об этом; dahin sein – пройти, пропасть