Венера в мехах. Уровень 3 / Venus im Pelz
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«Aber, Severin», entgegnete Wanda beinahe zornig, «halten Sie mich denn fur fahig, einen Mann, der mich so liebt wie Sie, den ich liebe, zu misshandeln?»
«Warum nicht, wenn ich Sie dafur um so mehr anbete? Man kann nur wahrhaft lieben, was uber uns steht, ein Weib, das uns durch Schonheit, Temperament, Geist, Willenskraft unterwirft, dass unsere Despotin wird.»
«Also das, was andere abstosst, zieht Sie an?»
«So ist es. Es ist eben meine Seltsamkeit.»
«Nun, am Ende ist an allen Ihren Passionen nichts so Apartes oder Seltsames. Denn wem gefallt nicht ein schoner Pelz? Und jeder weiss und fuhlt, wie nahe Wollust und Grausamkeit verwandt sind.»
«Bei mir ist dies alles aber auf das Hochste gesteigert», erwiderte ich.
«Das heisst, die Vernunft hat wenig Gewalt uber Sie. Und Sie sind eine weiche hingebende sinnliche Natur.»
«Waren die Martyrer auch weiche sinnliche Naturen?»
«Die Martyrer?»
«Im Gegenteil, es waren ubersinnliche Menschen, welche im Leiden einen Genuss fanden, welche die furchtbarsten Qualen, ja den Tod suchten wie andere die Freude. Und so ein Ubersinnlicher bin ich, Madame.»
«Geben Sie nur acht, dass Sie dabei nicht auch zum Martyrer der Liebe, zum Martyrer eines Weibes werden.»
Wir sitzen auf Wandas kleinem Balkon in der lauen, duftigen Sommernacht. Ein Dach uber uns. Zuerst den grunen Plafond von Schlingpflanzen, dann die Himmelsdecke. Aus dem Park tont der leise, verliebte Lockton einer Katze. Und ich sitze auf einem Schemel zu den Fussen meiner Gottin und erzahle von meiner Kindheit.
«Und damals schon waren alle diese Seltsamkeiten bei Ihnen ausgepragt?» fragte Wanda.
«Gewiss, ich erinnere mich keiner Zeit, wo ich sie nicht hatte, ja schon in der Wiege. So erzahlte mir meine Mutter spater, war ich ubersinnlich. Man musste mich mit Ziegenmilch nahren. Als kleiner Junge zeigte ich eine ratselhafte Scheu vor Frauen. Darin hat sich eigentlich nur ein unheimliches Interesse fur sie ausgedruckt. Das graue Gewolbe, das Halbdunkel einer Kirche beangstigten mich. Vor den glitzernden Altaren und Heiligenbildern fasste mich eine formliche Angst. Dagegen schlich ich heimlich zu einer Venus aus Gips. Sie stand in dem kleinen Bibliothekszimmer meines Vaters. Ich kniete nieder und sprach zu ihr die Gebete. Das hat mir man gelehrt. Das Vaterunser, das Gegrusst seist du Maria und das Credo.
Einmal verliess ich nachts mein Bett, um sie zu besuchen. Die Mondsichel leuchtete mir und liess die Gottin in einem kalten Licht erscheinen. Ich warf mich vor ihr nieder, kusste ihre kalten Fusse. Ich habe es bei unseren Landleuten gesehen, wenn sie die Fusse des toten Heilands kussten.
Eine unbezwingliche Sehnsucht ergriff mich.
Ich stieg empor und umschlang den schonen kalten Leib und kusste die kalten Lippen. Da sank ein tiefer Schauer auf mich herab und ich entfloh. Und im Traum war es mir, als stunde die Gottin vor meinem Lager und drohe mir mit erhobenem Arm.
Man schickte mich fruhzeitig in die Schule. So kam ich bald an das Gymnasium und ergriff alles mit Leidenschaft, was mir die antike Welt zu erschliessen versprach. Ich war bald mit den Gottern Griechenlands vertrauter als mit der Religion Jesu. Ich gab mit Paris Venus den verhangnisvollen Apfel. Ich sah Troja brennen und folgte Odysseus auf seinen Irrfahrten. Die Urbilder alles Schonen senkten sich tief in meine Seele. So zeigte ich zu jener Zeit, wo andere Knaben sich roh und unflatig gebarden, einen unuberwindlichen Abscheu gegen alles Niedere, Gemeine, Unschone [22] . Als etwas ganz besonders Unschones erschien dem reifenden Jungling die Liebe zum Weib. Ich mied jede Beruhrung mit dem schonen Geschlecht, kurz, ich war ubersinnlich bis zur Verrucktheit.
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So zeigte ich zu jener Zeit, wo andere Knaben sich roh und unflatig gebarden, einen unuberwindlichen Abscheu gegen alles Niedere, Gemeine, Unschone. –
Meine Mutter bekam – ich war damals etwa vierzehn Jahre alt – ein reizendes Stubenmadchen, jung, hubsch, mit schwellenden Formen. Eines Morgens, ich studierte meinen Tacitus und begeisterte mich an den Tugenden der alten Germanen, kehrte die Kleine bei mir aus. Plotzlich hielt sie inne, neigte sich, den Besen in der Hand, zu mir, und zwei volle frische kostliche Lippen beruhrten die meinen. Der Kuss der verliebten kleinen Katze durchschauerte mich. Aber ich erhob meine ›Germania‹ wie ein Schild gegen die Verfuhrerin und verliess emport das Zimmer.»
Wanda brach in lautes Lachen aus. «Sie sind in der Tat ein Mann, der seinesgleichen sucht. Aber fahren Sie nur fort.»
«Eine andere Szene aus jener Zeit bleibt mir unvergesslich», erzahlte ich weiter. «Grafin Sobol, eine entfernte Tante von mir, kam zu meinen Eltern auf Besuch. Eine majestatische schone Frau mit einem reizenden Lacheln. Ich aber hasste sie, denn sie galt in der Familie als eine Messalina. Sie benahm mich so unartig, boshaft und tappisch, wie nur moglich gegen sie.
Eines Tages fuhren meine Eltern in die Kreisstadt. Meine Tante beschloss ihre Abwesenheit zu benutzen und Gericht uber mich zu halten. Unerwartet trat sie in ihrer Veste herein. Die Kochin, Kuchenmagd und die kleine Katze folgten ihr. Ohne viel zu fragen, ergriffen sie mich trotz meiner heftigen Gegenwehr. An Handen und Fussen. Dann schurzte meine Tante mit einem bosen Lacheln den Armel empor. Sie begann mich mit einer grossen Peitsche zu hauen. Sie hieb so tuchtig, dass Blut floss. Ich schrie und weinte zuletzt, trotz meinem Heldenmut und um Gnade bat. Sie liess mich, aber ich musste ihr kniend fur die Strafe danken und die Hand kussen.
Nun sehen Sie den ubersinnlichen Toren! Unter der Peitsche der schonen uppigen Frau, welche mir in ihrer Pelzjacke wie eine zurnende Monarchin erschien, erwachte in mir zuerst der Sinn fur das Weib. Meine Tante erschien mir als die reizendste Frau auf Gottes Erdboden.
Meine katonische Strenge, meine Scheu vor dem Weib war eben nichts, als ein auf das Hochste getriebener Schonheitssinn. Die Sinnlichkeit wurde in meiner Phantasie jetzt zu einer Art Kultur. Und ich schwur mir, ihre heiligen Empfindungen ja nicht an ein gewohnliches Wesen zu verschwenden. Sondern spare ich fur eine ideale Frau auf, womoglich fur die Liebesgottin selbst.
Ich kam sehr jung an die Universitat und in die Hauptstadt, in welcher meine Tante wohnte. Meine Stube ahnelte mein Zimmer damals dem Zimmer von Doktor Faust. Alles stand in derselben wirr und kraus, hohe Schranke mit Buchern vollgepfropft. Ich habe sie um Spottpreise bei einem judischen Antiquar in der Servanica erhandelt. Globen, Atlanten, Phiolen, Himmelskarten, Tiergerippe, Totenkopfe, Busten grosser Geister. Hinter dem grossen grunen Ofen konnte jeden Augenblick Mephistopheles als fahrender Scholast hervortreten.
Ich studierte alles durcheinander, ohne System, ohne Wahl, Chemie, Alchimie, Geschichte, Astronomie, Philosophie, die Rechtswissenschaften, Anatomie und Literatur; las Homer, Virgil, Ossian, Schiller, Goethe, Shakespeare, Cervantes, Voltaire, Moliere, den Koran, den Kosmos, Casanovas Memoiren. Ich wurde jeden Tag wirrer, phantastischer und ubersinnlicher. Und immer hatte ich ein schones ideales Weib im Kopf, das mir von Zeit zu Zeit gleich einer Vision auf Rosen gebettet. Von Amoretten umringt, zwischen meinen Lederbanden und Totenbeinen erschien, bald in olympischer Toilette, mit dem strengen weissen Antlitz der gipsernen Venus. Bald mit den uppigen braunen Flechten, den lachenden blauen Augen und in der rotsamtenen hermelinbesetzten Veste meiner schonen Tante.