Heute oder nie!
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DOKTOR: Entschuldigen Sie, dass ich mir erlaubt habe, an Ihnen zu zweifeln. Ich bekenne, dass mich jener Mann durcheinander gebracht hat.
MARINA: Und Sie sind sicher, dass er "uberhaupt hierher kam?
DOKTOR: Was heisst “sicher”? Nat"urlich kam er! (Erinnert sich an sein Leiden.) Obwohl… Denken Sie, dass er nicht kam?
MARINA: Das hat keine Bedeutung.
DOKTOR: Nein, mir scheint, er kam. Nun, gut. Angenommen, dass er, Ihren Worten nach, ein Verr"uckter ist. Aber jene Frau zeigte mir ihre Dokumente, und Sie, entschuldigen Sie, kenne ich nicht einmal dem Namen nach.
MARINA: Wie k"onnen Sie das nicht wissen? Nicht l"anger, als heute Morgen, haben Sie mir selbst zweimal angerufen und mich Marina genannt.
DOKTOR: (In die Enge getrieben.) Ach, ja, richtig… Das hab' ich vergessen… Aber, verstehen Sie, ich bin nicht sicher…
MARINA: (Marina "offnet ihre Handtasche, steckt das Taschentuch hinein, nimmt die Puderdose heraus und bringt sich in Ordnung. Als sie die Puderdose zur"uck legt, ruft sie freudig aus.) Oh! Es scheint, ich hab` ein Dokument dabei. Und sogar mit Foto. Das ist mein F"uhrerschein. Hier, bitte, schauen Sie.
DOKTOR: Das muss nicht sein, ich glaube Ihnen.
MARINA: Jetzt glauben Sie, nach f"unf Minuten h"oren Sie wieder auf, zu glauben. Wie alle M"anner. Schauen Sie trotzdem. (Der Doktor nimmt unwillig das Dokument in die Hand.) Was steht da?
DOKTOR: „Marina Gl"ockner“.
MARINA: Ist der Stempel in Ordnung?
DOKTOR: In Ordnung. (Er gibt ihr das Dokument zur"uck. Sie steckt es in die Handtasche und zieht Fotos hervor.)
MARINA: Mein Mann hat Ihnen erz"ahlt, dass wir in derselben Schule gelernt haben?
DOKTOR: Welcher Mann? Anton? Er hat.
MARINA: Hier, schauen Sie, wie wir als Kinder waren. Lustig, nicht wahr?
DOKTOR: Sie haben sich fast nicht ver"andert.
MARINA: Danke. Und hier sind wir beide schon erwachsen.
DOKTOR: Das war wahrscheinlich kurz vor der Hochzeit?
MARINA: Ja.
DOKTOR: Wie sch"on Sie sind!
MARINA: (Verf"uhrerisch.) Wollen Sie sagen, dass ich jetzt nicht mehr so bin?
DOKTOR: Jetzt sind Sie noch besser.
MARINA: Danke. (Steckt die Fotos weg.) Ich sehe, Sie sind ein Frauenheld. Ich weiss nicht, ob eine Frau hierher kam, aber von was ich "uberzeugt bin ist, dass Sie auch sie zum Abendessen eigeladen haben.
DOKTOR: Ich schw"ore Ihnen, ich habe niemanden eingeladen! Und "uberhaupt kam niemand hierher! (Verwirrt.) Oder kam doch? Verdammtes Ged"achtnis… Es scheint, ich sollte die Praxis aufgeben. (Giesst sich die n"achste Portion Tropfen ein.)
MARINA: (Nimmt ihm das Fl"aschchen weg.) H"oren Sie auf, Tropfen zu nehmen. Sind Sie Arzt, oder kein Arzt?
DOKTOR: (St"ohnt.) Ich bin Arzt. (Verwirrt.) Oder kein Arzt? (Fasst sich.) Was rede ich da f"ur Unsinn! Nat"urlich Arzt.
MARINA: Und wenn Sie Arzt sind, dann bringen Ihnen die Patienten auch Cognac. Bringen sie, oder bringen sie nicht?
DOKTOR: (Unsicher.) Nat"urlich bringen sie.
MARINA: Also, dann trinken Sie einen Doppelten. Das hilft sofort.
DOKTOR: Das pr"ufen wir sofort. ("Offnet die Bar.) So viel Cognac. (Erfreut.) Das heisst, ich bin Arzt. (Ergreift eine Flasche.) Schliessen Sie sich an?
MARINA: Ich habe Ihnen noch nicht verziehen.
DOKTOR: Ach, lassen Sie doch. Trinken wir. (Giesst mit zitternden H"anden Cognac in zwei Schwenker ein.)
MARINA: (Beobachtet ihn mitleidig.) Mein Lieber, schauen Sie sich im Spiegel an: Verwirrter Blick, zitternde H"ande. Was geht mit Ihnen vor?
DOKTOR: Ich gebe zu, dass ich heute nicht ganz in Form bin. M"udigkeit, Ged"achtnisverlust, verwirrte Gedanken, Schwindelgef"uhle… Ich f"urchte, das alles nennt sich mit einem Begriff – Alter.
MARINA: Dummes Zeug. Sie brauchen bloss eine warme, f"ursorgliche, weibliche Hand, das ist alles. Haben Sie eine Frau?
DOKTOR: Frau? Lassen Sie mich nachdenken… (Gr"ubelt.) Ich bin jetzt in so einem Zustand, dass ich mich sogar daran nicht mehr erinnere. (Erinnert sich.) Was rede ich denn da? Nat"urlich erinnere ich mich. Ich bin Witwer, schon viele Jahre. Die Kinder sind erwachsen, leben einzeln, ich habe sie schon lange vergessen. "Ubrigens, um die Wahrheit zu sagen, haben sie mich vergessen. Ich bin v"ollig einsam… Ich verstehe nicht, was mit meinem Ged"achtnis passiert ist? Das kam so unerwartet…
MARINA: Leiden Sie bloss nicht darunter.
DOKTOR: Ich leide auch nicht. Wenn Sie in der N"ahe sind. Wissen Sie, ich beneide sogar Ihren Mann. Ich w"urde auch mit Freuden alles zum Teufel vergessen: Einsamkeit, erm"udende Arbeit, Steuerinspektoren, neidische Kollegen, streitende Nachbarn, beharrliche Patienten mit ihren dauernden Beschwerden und Krankheiten, und gleichzeitig meine eigenen. An nichts denken, sich an nichts erinnern, neben einer sch"onen Frau sitzen mit einem Cognac, vergessen, dass du alt f"ur sie bist, oder bald alt wirst, alles vergessen und nur die momentane Minute geniessen…