Lauert
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PROLOG
Kimberly Dent stellte ihren Kragen gegen die K"alte hoch. Sie war sp"ater als sonst unterwegs, aber es war nur ein kurzer, sicherer Weg zu ihr nach Hause vom Haus ihrer Freundin Goldie Dowling. Die Nacht war nicht unangenehm kalt und Kimberly gefiel es, wie die k"uhle Luft auf ihren Wangen brannte und dass sie ihren eisigen Atem sehen konnte. Es war eigentlich sogar sehr sch"on und die Strassenlaternen beleuchteten die "Uberbleibsel des Schneefalls von letzter Woche.
Kimberly war sich sicher, dass ihre Eltern nichts dagegen haben w"urden, dass sie so sp"at noch unterwegs war. Ihre Schulnoten waren gut und Mom und Dad vertrauten darauf, dass sie sich nicht in Geschichten verstricken w"urde –– nicht, dass es besonders viele Geschichten zum verstricken gab, in einer kleinen, langweiligen Stadt wie Dalhart. Ausserdem schliefen beide ihrer Eltern bestimmt mittlerweile. Wie die meisten Menschen in dieser Nachbarschaft gingen sie immer fr"uh zu Bett.
Sie summte eine Pop Melodie, merkte aber, dass sie nicht wusste, um welches Lied es sich handelte.
Wahrscheinlich irgendetwas Neues, was ich im Radio geh"ort habe.
Es war komisch, dass sie einen Ohrwurm von einem Lied hatte, das sie nicht einmal kannte. Aber das schien ihr in letzter Zeit oft zu passieren. Nat"urlich w"urde auch dieses Lied eines Tages genauso vertraut sein, weil ein altes Paar Schuhe. Und doch w"urde sie niemals in der Lage sein, sich daran zu erinnern, wann und so sie es genau zum ersten Mal geh"ort hatte.
Dieser Gedanke machte sie irgendwie traurig.
Dann wiederum war dieser ganze Abend irgendwie traurig gewesen.
Goldie und sie hatten all die "ublichen Dinge getan, die sie "uber die Jahre verbunden hatten –– die Fingern"agel der anderen lackiert, sich gegenseitig frisiert, zu einigen ihrer Lieblingslieder getanzt, Karten gespielt, etwas ferngesehen.
Doch dann hatten sie sich gestritten –– oder zumindest war Goldie sauer auf Kimberly geworden.
Und das wegen einer Nichtigkeit, dachte Kimberly.
Kimberly hatte nichts getan, ausser Goldie zu fragen, ob diese sich sicher war, dass sie nach ihrem Schulabschluss im Fr"uhjahr hier in Dalhart bleiben wolle. Goldie hatte sie deswegen angefaucht.
„Willst du sagen, ich soll Clint nicht sofort heiraten?“, wollte Goldie wissen.
Kimbely war entr"ustet. Sie wusste, dass Goldie und Clint es ernst miteinander meinten. Sie waren schon seit der Mittelstufe zusammen. Aber Goldie hatte nie irgendetwas von Heirat gesagt. Und falls Clint Goldie einen Antrag gemacht haben sollte, so hatte Goldie das sicherlich nicht erw"ahnt.
Nat"urlich wusste Kimberly, dass Goldies Eltern begeistert sein w"urden, wenn sie Clint heiraten und hier in Dalhart ans"assig werden w"urde, wenn sie direkt Kinder haben w"urde. Doch das schien nie Goldies eigenen Vorstellungen entsprochen zu haben.
Jedenfalls nicht bis zum heutigen Abend.
Dann hatte Kimberly den Fehler begangen, Goldie an ihren langj"ahrigen Traum zu erinnern, nach New York oder L.A. zu ziehen und eine Schauspielerin zu werden.
„Ach, werd‘ erwachsen“, hatte Goldie gesagt. „Wir sind schon zu alt f"ur diese kindischen Tr"aumereien.“
Diese Worte hatten Kimberly wirklich getroffen, aber nicht so hart wie das, was Goldie als N"achstes sagte.
„Oder glaubst du immer noch, dass du eine Olympiagymnastin wirst?“
Kimberly war entsetzt gewesen. Nein, sie hatte nicht mehr davon getr"aumt, seit sie zw"olf oder dreizehn gewesen war. Es erschien ihr gemein von Goldie, dass sie das aus dem nichts wieder hervorgeholt hatte.
Trotzdem hoffte Kimberly auf viel mehr, als Dalhart zu bieten hatte. Sie konnte es kaum erwarten hier raus zu kommen. Sie dachte sich, dass sie direkt nach Memphis ziehen und den ersten Job annehmen w"urde, den man ihr anbot, um zur Abwechslung mal das Grossstadtleben zu geniessen.
Sie hatte das bisher noch zu niemandem erw"ahnt –– nicht einmal zu Goldie. Und der heutige Abend hatte sich ganz bestimmt nicht wie der richtige Zeitpunkt angef"uhlt, um es ihr zu sagen. Kimberly war sich sicher, dass ihre Eltern gegen jedwede derartige Idee sein w"urden. Sie hoffte bloss, dass sie stark genug sein w"urde, um auf dem zu beharren, was sie wollte, wenn die Zeit zum Abschied kommen w"urde.
Sie hatte nun die H"alfte ihres Weges hinter sich und summte immer noch dieselbe Melodie, wobei sie sich immerzu fragte, welches Lied es war. Dann h"orte sie ein komisches, schrilles Ger"ausch. Zuerst dachte sie, dass es der Wind war. Doch eigentlich gab es grade mal eine leichte Brise in der Luft.
Sie blieb abrupt stehen und horchte.
Irgendjemand pfeift! begriff sie.
Nicht nur das. Irgendjemand pfiff dieselbe Melodie, die sie soeben gesummt hatte.
Pl"otzlich h"orte das Pfeifen auf.
Sie rief leise, aber bestimmt: „Bist du das, Jay? Wenn ja, ist das nicht gerade witzig.“
Ihr Freund Jay hatte vor etwa einer Woche mit ihr Schluss gemacht, und seither benahm er sich wie ein Stalker. Sie hatte mitbekommen, dass er sie vor seinen m"annlichen Freunden schlecht redete und sich beschwerte, dass sie nicht f"ur ihn „die Beine breitmachen“ wollte. Nat"urlich war das genau der Grund, aus dem er ihre Beziehung beendet hatte, aber Kimberly fand nicht, dass das sonst irgendjemanden etwas anging.
Und nun musste Kimberly sich fragen –– stellte Jay ihr nach?
Sie seufzte und dachte: Ich w"are nicht "uberrascht.
Sie sch"uttelte den Kopf und ging weiter.
Dann begann das Pfeifen erneut.
Kimberly ging schneller und schaute sich andauernd um, w"ahrend sie versuchte festzustellen, wo das Pfeifen herkam. Sie konnte es einfach nicht bestimmen. Aber sie begann zu hoffen, dass es doch Jay war. Der Gedanke, dass es einer von Jays Freak-Freunden sein k"onnte gefiel ihr "uberhaupt nicht. Und sie wagte es nicht, sich vorzustellen, dass es jemand sein k"onnte, den sie nicht einmal kannte.