Die weisse Massai
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Ich "ubergebe noch etwas Schmiergeld, und die beiden fahren los nach Mombasa.
Endlich gehe ich wieder einmal an den Strand und lasse mich von der Sonne und dem guten Hotelessen verw"ohnen, das nat"urlich zehnmal soviel kostet wie in den lokalen Restaurants. Gegen Abend kehre ich ins H"auschen zur"uck, wo mich Lketinga bereits grimmig erwartet. Aufgeregt frage ich, wie es in Mombasa war. Er aber will nur wissen, wo ich war. Lachend antworte ich ihm: „Am Strand und essen im Hotel!“
Er will weiter wissen, mit welchen Leuten ich mich unterhalten habe. Ich denke mir nichts und erw"ahne Edy und zwei andere Massai, mit denen ich ein paar Worte am Strand gewechselt habe. Sein Gesicht wird nur langsam freundlicher, und er sagt nebenbei, dass es mit dem Pass etwa drei bis vier Wochen dauern wird.
Ich freue mich und versuche, viel von der Schweiz und meiner Familie zu erz"ahlen.
Auf Eric freue er sich, gibt er mir zu verstehen, aber was die anderen Leute betrifft, wisse er nicht, was auf ihn zukomme. Auch mir ist bei der Vorstel ung, wie die Menschen in Biel auf ihn reagieren werden, nicht ganz wohl. Schon der Verkehr auf den Strassen, die ausgefallenen Lokale und der ganze Luxus werden ihn verwirren.
Meine letzten Tage in Kenia verbringen wir etwas ruhiger. Wir schlendern ab und zu ins Hotel, an den Strand oder verbringen den Tag im Village mit verschiedenen Leuten, Tee trinkend und kochend. Als der letzte Tag anbricht, bin ich traurig und versuche, die Fassung zu bewahren. Auch Lketinga ist nerv"os. Viele bringen mir irgendein Geschenk, meistens Massai-Schmuck. Meine Arme sind fast bis zu den Ellenbogen hoch geschm"uckt.
Lketinga w"ascht mir nochmals die Haare, hilft mir beim Packen und fragt andauernd: „Corinne, real y you will come back to me?“
Anscheinend glaubt er nicht, dass ich wiederkomme. Er meint, viele Weisse behaupten dies und kommen nicht mehr, oder wenn, dann nehmen sie sich einen anderen Mann. „Lketinga, ich wil keinen anderen, only you!“
beteuere ich immer wieder. Ich werde viel schreiben, Fotos schicken und ihm Nachricht geben, wenn ich alles erledigt habe. Immerhin muss ich jemanden finden, der mir das Gesch"aft abkauft und jemanden, der meine Wohnung und die gesamte Einrichtung "ubernimmt.
Er soll mir "uber Priscil a mitteilen, wann er kommt, fal s er den Pass erh"alt. „Wenn es nicht klappt oder du wirklich nicht in die Schweiz wil st, kannst du es mir ruhig mitteilen“, sage ich zu ihm. Ich werde ungef"ahr drei Monate brauchen, bis ich alles erledigt habe. Er fragt mich, wie lange drei Monate sind: „How many ful moons?“
„Dreimal Vol mond“, gebe ich lachend zur Antwort. Wir verbringen am letzten Tag jede Minute gemeinsam und beschliessen, bis vier Uhr morgens in die Bush-Baby-Bar zu gehen, um nicht zu verschlafen und die Zeit zu nutzen. Wir reden, zeigen, deuten die ganze Nacht, und immer wieder die gleiche Frage, ob ich wirklich wiederkomme.
Ich verspreche es zum zwanzigsten Mal und merke, wie aufgew"uhlt auch Lketinga ist.
Eine halbe Stunde vor Abfahrt treffen wir, begleitet von zwei weiteren Massai, im Hotel ein. Die verschlafenen, wartenden Weissen schauen uns irritiert an. Mit meiner Reisetasche und den drei geschm"uckten Massai mit ihren Rungus muss ich wohl ein sonderbares Bild abgeben. Dann muss ich einsteigen. Lketinga und ich fallen uns noch einmal in die Arme, und er sagt: „No problem, Corinne! I wait here or I come to you!“
Dann, ich kann es kaum fassen, dr"uckt er mir noch einen Kuss auf den Mund. Ich bin ger"uhrt, steige ein und winke den dreien zu, die in der Finsternis zur"uckbleiben.
Abschied und Aufbruch
In der Schweiz beginne ich sogleich mit der Suche nach einer Nachfolgerin f"ur mein Gesch"aft. Viele haben Interesse, wenige eignen sich, doch diese haben kein Geld. Nat"urlich will ich m"oglichst viel herausholen, weil ich nicht weiss, wann ich wieder Geld verdienen kann. Mit zehn Franken kann ich in Kenia gut zwei Tage leben. So werde ich ziemlich geizig und lege jeden Franken f"ur die Zukunft in Afrika zur Seite.
Schnell ist ein Monat vergangen, und von Lketinga habe ich nichts geh"ort. Ich habe bereits drei Briefe geschrieben. Deshalb schreibe ich nun etwas beunruhigt auch an Priscilla. Zwei Wochen sp"ater erhalte ich von ihr einen Brief, der mich verwirrt. Von Lketinga habe sie schon zwei Wochen nach meiner Abreise nichts mehr gesehen, wahrscheinlich lebe er wieder an der Nordk"uste. Mit seinem Pass gehe es nicht so recht vorw"arts, und zu guter Letzt r"at sie mir, ich solle lieber in der Schweiz bleiben. Ich bin v"ollig ratlos und schreibe sofort den n"achsten Brief an die P.
O. Box an der Nordk"uste, wohin schon meine ersten Briefe an Lketinga gingen.
Nach fast zwei Monaten entschliesst sich eine Freundin von mir, mein Gesch"aft zum ersten Oktober zu kaufen. Ich bin "ubergl"ucklich, dass dieses gr"osste Problem endlich gel"ost ist. Also kann ich theoretisch im Oktober abreisen. Aber von Lketinga habe ich leider immer noch nichts geh"ort. In die Schweiz muss er nun nicht mehr kommen, weil ich bald wieder in Mombasa sein werde, denke ich und glaube weiterhin an unsere grosse Liebe. Von Priscil a erhalte ich noch zwei verworrene Briefe, doch mit unersch"utterlichem Glauben gehe ich zum Reiseb"uro und buche einen Flug nach Mombasa f"ur den f"unften Oktober.
Mir bleiben noch gut zwei Wochen, um meine Wohnung und die Autos loszuwerden. Die Wohnung ist kein Problem, da ich alles komplett eingerichtet zu einem Spottpreis einem jungen Studenten verkaufe. So kann ich wenigstens bis zur letzten Minute in der Wohnung bleiben.
Meine Freunde, Gesch"aftskollegen, al e, die mich kennen, begreifen nicht, was ich mache. F"ur meine Mutter ist es besonders hart, doch habe ich das Gef"uhl, dass sie mich noch am ehesten versteht. Sie hoffe und bete f"ur mich, dass ich finde, was ich suche, und gl"ucklich werde.
Mein Cabriolet verkaufe ich am allerletzten Tag und lasse mich gleich zum Bahnhof bringen. Als ich das Bahnbillett nach Z"urich-Kloten „einfach“ l"ose, bin ich aufgeregt. Mit kleinem Handgep"ack und einer grossen Reisetasche, in der sich einige T-Shirts, Unterw"asche, einfache Baumwollr"ocke und einige Geschenke f"ur Lketinga und Priscilla befinden, sitze ich im Zug und warte auf die Abfahrt.
Als sich der Zug in Bewegung setzt, glaube ich vor Freude abzuheben. Ich lehne mich zur"uck, leuchte wahrscheinlich wie eine Laterne und lache vor mich hin. Ein wundervolles Gef"uhl der Freiheit hat mich ergriffen. Ich k"onnte losschreien und jedem, der im Zug sitzt, mein Gl"uck und mein Vorhaben mitteilen. Ich bin frei, frei, frei! In der Schweiz habe ich keine Verpflichtungen mehr, keinen Briefkasten mit Rechnungen, und ich entkomme dem trostlosen, tr"uben Wetter im Winter. Ich weiss nicht, was mich in Kenia erwartet, ob Lketinga meine Briefe erhalten hat und wenn, ob sie ihm richtig "ubersetzt wurden. Ich weiss nichts und geniesse einfach das begl"uckende Gef"uhl von Schwerelosigkeit.