Die weisse Massai
Шрифт:
Jetzt frage ich, entnervt von der Arroganz dieses Fettsacks, wie lange es noch dauere, wenn ich al es erledigt h"atte. „Etwa zwei Wochen“, antwortet er, bedeutet uns mit der Hand, das B"uro zu verlassen, und greift gelangweilt nach seiner Tageszeitung.
Soviel Unversch"amtheit verschl"agt mir die Sprache. Statt alles abzublasen, stachelt mich sein Verhalten erst richtig an, um ihm zu zeigen, wer hier gewinnen wird. Vor allem wil ich nicht, dass sich Lketinga minderwertig vorkommt. Ausserdem m"ochte ich ihn bald meiner Mutter vorstellen k"onnen.
Ich verrenne mich immer mehr in diese fixe Vorstel ung und beschliesse, mit Lketinga, der mittlerweile ungeduldig und entt"auscht ist, ins n"achste Reiseb"uro zu gehen und alles Notwendige zu erledigen. Wir treffen auf einen freundlichen Inder, der die Situation erfasst und mich ermahnt aufzupassen, da viele weisse Frauen auf "ahnliche Weise ihr Geld verloren h"atten. Ich vereinbare mit ihm, uns eine Best"atigung "uber das Flugticket auszustellen, und deponiere das n"otige Geld bei ihm. Er gibt mir eine Quittung und das Versprechen, mir den Betrag zur"uckzuerstatten, wenn es mit dem Pass nicht klappen sol te.
Irgendwie weiss ich, dass es waghalsig ist, aber ich verlasse mich auf meine gute Menschenkenntnis. Wichtig ist, dass Lketinga weiss, wo er hingehen kann, wenn er den Pass hat, um das Abflugdatum anzugeben. „Wieder einen Schritt weiter!“ denke ich k"ampferisch.
Auf einem nahe gelegenen Markt kaufen wir f"ur Lketinga Hosen, Hemd und Schuhe. Das ist nicht einfach, denn sein Geschmack und meiner sind sehr gegens"atzlich. Er m"ochte rote oder weisse Hosen. Weisse, denke ich, sind im Busch unm"oglich und rot ist nicht gerade eine „m"annliche“ Farbe f"ur westliche Kleidung.
Das Schicksal kommt mir zu Hilfe, alle Hosen sind zu kurz f"ur meinen Zweimetermann. Nach langem Suchen finden wir endlich Jeans, die passen. Bei den Schuhen f"angt es wieder von vorne an. Er trug bis jetzt nur Sandalen, die aus alten Autoreifen gefertigt sind. Wir einigen uns auf Turnschuhe. Nach zwei Stunden ist er neu eingekleidet, und mir gef"allt er trotzdem nicht. Sein Gang ist nicht mehr schwebend, sondern schleppend. Er allerdings ist richtig stolz, zum ersten Mal im Leben lange Hosen, ein Hemd und Turnschuhe zu besitzen.
Nat"urlich ist es zu sp"at, um noch mal zum B"uro zu gehen, und so schl"agt Lketinga vor, zur Nordk"uste zu fahren. Er will mir Freunde vorstellen und mir zeigen, wo er gewohnt hat, bevor er sich bei Priscilla einquartierte. Ich z"ogere noch, da es schon vier Uhr ist und wir dann in der Nacht zur S"udk"uste zur"uck m"ussten. Wieder einmal sagt er: „No problem, Corinne!“
Also warten wir auf ein Matatu nach Norden, doch erst im dritten Bus finden wir ein winziges Pl"atzchen. Bereits nach wenigen Minuten l"auft mir der Schweiss herunter.
Gl"ucklicherweise erreichen wir bald ein wirklich grosses Massai-Dorf, wo ich zum ersten Mal auf geschm"uckte Massai-Frauen treffe, die mich freudig begr"ussen. Es ist ein Kommen und Gehen in den H"utten. Ich weiss nicht, staunen sie mehr "uber mich oder das neue Outfit von Lketinga. Alle begrapschen das hel e Hemd, die Hosen, und sogar die Schuhe werden bewundert. Die Farbe des Hemdes wird langsam, aber sicher dunkler. Zwei, drei Frauen versuchen gleichzeitig, auf mich einzureden, und ich sitze stumm l"achelnd da und verstehe gar nichts.
Zwischendurch kommen wieder viele Kinder in die H"utte. Sie staunen oder kichern mich an. Mir f"allt auf, wie schmutzig al e sind. Pl"otzlich sagt Lketinga: „Wait here“, und schon ist er weg. Mir ist nicht sehr wohl. Eine Frau bietet mir Milch an, die ich angesichts der Fliegen ablehne. Eine andere schenkt mir ein Massai-Armband, das ich freudig anziehe. Offensichtlich arbeiten alle an irgendwelchen Schmuckst"ucken.
Etwas sp"ater erscheint Lketinga wieder und fragt mich: „You hungry?“
Diesmal antworte ich ehrlich mit ja, denn ich habe wirklich Hunger. Wir gehen ins nahe gelegene Buschrestaurant, das "ahnlich wie das in Ukunda ist, nur viel gr"osser.
Hier gibt es eine Abteilung f"ur Frauen und weiter hinten eine f"ur die M"anner. Ich muss nat"urlich zu den Frauen, und Lketinga verzieht sich zu den anderen Kriegern. Die Situation gef"allt mir nicht, ich w"are lieber in meinem H"uttchen an der S"udk"uste. Ich bekomme einen Teller vorgesetzt, in dem Fleisch und sogar einige Tomaten in einer saucen"ahnlichen Fl"ussigkeit schwimmen. Auf einem zweiten Teller liegt eine Art Fladen. Ich beobachte, wie eine andere Frau das gleiche „Men"u“ vor sich hat und mit der rechten Hand den Fladen zerst"uckelt, dann in die Sauce tunkt, dazu noch ein St"uck Fleisch nimmt und al es mit der Hand in den Mund schiebt. Ich mache es ihr nach, ben"otige jedoch dazu beide H"ande. Augenblicklich wird es still, alle schauen mir beim Essen zu. Mir ist das peinlich, zumal zehn oder mehr Kinder um mich versammelt sind und mit grossen Augen zusehen. Dann reden alle wieder durcheinander, und doch f"uhle ich mich weiter beobachtet. So schnell wie m"oglich schlinge ich al es herunter und hoffe, dass Lketinga bald wieder auftaucht. Als nur noch die Knochen "ubrig sind, gehe ich zu einer Art Fass, aus dem man Wasser sch"opft und sich "uber die H"ande sch"uttet, um sie vom Fett zu befreien, was nat"urlich illusorisch ist. Ich warte und warte, und endlich kommt Lketinga. Am liebsten w"urde ich ihm um den Hals fallen. Doch er schaut mich komisch, ja fast b"ose an, und ich weiss gar nicht, was ich falsch gemacht haben soll. Dass auch er gegessen hat, sehe ich an seinem Hemd. Er sagt: „Come, come!“
Auf dem Weg zur Strasse frage ich: „Lketinga, what's the problem?“
Bei seinem Gesichtsausdruck wird mir bange. Dass ich der Grund f"ur seine Ver"argerung bin, erfahre ich, als er meine linke Hand nimmt und sagt: „This hand no good for food! No eat with this one!“
Ich verstehe zwar, was er sagt, aber weshalb er deswegen ein solches Gesicht macht, weiss ich nicht. Ich frage nach dem Grund, aber ich bekomme keine Antwort.
Erm"udet von den Strapazen und verunsichert durch dieses neue R"atsel, f"uhle ich mich unverstanden und m"ochte nach Hause in unser H"auschen an der S"udk"uste.
Dies versuche ich Lketinga mitzuteilen, indem ich sage: „Let's go home!“
Er schaut mich an, wie weiss ich nicht, denn ich sehe wieder nur das Weisse der Augen und den leuchtenden Perlmuttknopf. „No“, sagt er, „all Massai go to Malindi tonight.“
Mir bleibt fast das Herz stehen. Wenn ich ihn richtig verstehe, will er tats"achlich wegen eines Tanzes heute noch weiter nach Malindi. „It's good business in Malindi“, h"ore ich. Er merkt, dass ich nicht sehr begeistert bin und fragt mich sofort in besorgtem Ton: „You are tired?“