Die weisse Massai
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Begegnung mit Jutta
Wir n"achtigen das letzte Mal in der H"utte und kehren am n"achsten Tag nach Mombasa zur"uck. Mit klopfendem Herzen marschiere ich zum Village. Von weitem h"ort man fremde Stimmen, und Priscilla ruft: „Jambo, Jutta!“ Mein Herz macht einen Freudensprung, als ich diese Worte h"ore. Nach fast zwei Wochen nahezu ohne Konversation freue ich mich auf die angekommene Weisse.
Sie begr"usst mich ziemlich k"uhl und redet auf Suaheli mit Priscil a. Schon wieder verstehe ich nichts! Doch dann schaut sie mich lachend an und fragt: „So, wie hat dir das Buschleben gefallen? Wenn du nicht vor Dreck stehen w"urdest, w"urde ich dir das gar nicht zutrauen.“ Dabei schaut sie mich kritisch von Kopf bis Fuss an. Ich antworte, dass ich froh sei, wieder hier zu sein, denn ich sei total zerstochen und meine Haare juckten ebenfal s gr"asslich. Jutta lacht: „Du wirst Fl"ohe und L"ause haben, das ist al es! Doch wenn du jetzt in deine H"utte gehst, bringst du sie nicht mehr raus!“
Sie schl"agt mir wegen der Fl"ohe ein Bad im Meer mit anschliessender Dusche in einem der Hotels vor. Diesen Luxus leiste sie sich immer, wenn sie gerade in Mombasa sei. Ich frage zweifelnd, ob das nicht auffal e, da ich kein Gast sei.
„Unter so vielen Weissen kann man das unbemerkt machen“, zerstreut sie meine Bedenken. Sie gehe manchmal sogar bei den B"uffets Essen holen, nat"urlich nicht immer im selben Hotel. "Uber all diese Tricks staune ich und bewundere Jutta. Sie verspricht mir, nachher mitzukommen und verschwindet in ihrem H"auschen.
Priscilla versucht, mir die Z"opfchen zu "offnen. Es zieht grausam. Die Haare sind verfilzt und kleben von Rauch und Dreck. In meinem ganzen Leben war ich noch nie so schmutzig und f"uhle mich dementsprechend schlecht. Nach "uber einer Stunde mit b"uschelweisem Haarausfall sind wir am Ziel. Alle Z"opfchen sind ge"offnet, und ich sehe aus wie nach einem Stromschlag. Mit Haarwaschmittel, Seife und frischen Klamotten ausger"ustet, klopfe ich bei Jutta an, und wir ziehen los. Sie nimmt Bleistifte und einen Zeichenblock mit. Als ich sie frage: „Was willst du denn damit machen?“ erkl"art sie: „Geld verdienen! In Mombasa kann ich leicht zu Geld kommen, deswegen bin ich ja auch f"ur zwei bis drei Wochen hier.“
„Aber wie?“ will ich wissen. „Ich zeichne Karikaturen von Touristen in zehn bis f"unfzehn Minuten und verdiene pro Bild etwa zehn Franken. Wenn ich pro Tag vier bis f"unf Leute male, lebe ich nicht schlecht!“ erz"ahlt Jutta. Seit f"unf Jahren schl"agt sie sich auf diese Weise durch, wirkt immer noch selbstbewusst und kennt jeden Trick.
Ich bewundere sie.
Wir sind am Strand angekommen, und ich st"urze mich ins erfrischende Salzwasser. Erst nach einer Stunde komme ich wieder heraus, und Jutta zeigt mir das erste Geld, das sie in der Zwischenzeit verdient hat. „So, und jetzt gehen wir duschen“, meint sie lachend. „Du musst einfach locker und selbstverst"andlich am Strandw"achter vorbeigehen, denn wir sind Weisse, das musst du dir immer vor Augen halten!“ Es klappt tats"achlich. Ich dusche und dusche und wasche meine Haare wohl f"unfmal, bis ich mich sauber f"uhle. Schliesslich ziehe ich ein leichtes Sommerkleid an, und wir gehen wie selbstverst"andlich zum traditionellen Vier-Uhr-Tee. Alles gratis!
Hier fragt sie, warum ich eigentlich im Village sei. Ich erz"ahle ihr meine Geschichte, und sie h"ort aufmerksam zu. Danach folgen ihre Ratschl"age: „Wenn du unbedingt hierbleiben willst und deinen Massai haben m"ochtest, muss endlich etwas geschehen.
Erstens musst du dir ein eigenes H"auschen mieten, das kostet fast nichts, und du hast endlich Ruhe. Zweitens solltest du dein Geld zusammenhalten und eigenes verdienen, zum Beispiel mit mir Kunden werben, die ich malen kann, dann wird geteilt. Drittens glaube keinem Schwarzen an der K"uste. Im Grunde wollen alle nur das Geld. Um zu sehen, ob dieser Lketinga deinen Kummer wert ist, gehen wir morgen ins Reiseb"uro und sehen nach, ob er dein Geld von damals dort gelassen hat. Wenn ja, ist er noch nicht verdorben vom Tourismus, das meine ich ernst.“ Wenn ich ein Foto von ihm h"atte, w"urden wir ihn mit etwas Gl"uck schon finden!
Jutta tut mir einfach gut. Sie kann Suaheli sprechen, kennt sich aus und hat Energie wie ein Rambogirl. Am n"achsten Tag fahren wir nach Mombasa, aber nicht etwa mit dem Bus. Jutta meint, sie werfe doch ihr sauer verdientes Geld nicht zum Fenster heraus, und h"alt gekonnt den Daumen raus. Tats"achlich h"alt das erste private Auto, das vorbeikommt. Es sind Inder, die uns bis zur F"ahre mitnehmen. Hier besitzen fast nur Inder oder Weisse Privatautos. Jutta lacht mich an: „Siehst du, Corinne, schon hast du wieder etwas gelernt!“
Nach langem Suchen finden wir das Reiseb"uro. Ich hoffe sehnlichst, dass das Geld nach nunmehr fast f"unf Monaten noch hier ist, nicht unbedingt des Geldes wegen, sondern um in dem Glauben best"atigt zu werden, mich in Lketinga und unserer Liebe nicht get"auscht zu haben. Obendrein wil mir Jutta bei der Suche nach Lketinga nur helfen, wenn er dieses Geld nicht abgeholt hat. Anscheinend glaubt sie nicht daran.
Mein Herz klopft bis zum Hals, als ich die T"ur "offne und "uber die Schwelle trete.
Der Mann hinter dem Schreibtisch schaut auf, und ich erkenne ihn sogleich. Noch bevor ich etwas sagen kann, kommt er strahlend mit ausgestreckten H"anden auf mich zu und sagt: „Hel o, how are you after such a long time?
Wo ist der Massai-Mann? Ich habe ihn nicht mehr gesehen.“ Bei diesen zwei S"atzen wird mir warm ums Herz, und ich erkl"are nach dem ersten Hallo, es h"atte mit dem Pass nicht geklappt und deshalb k"ame ich das Geld wieder abholen.
Immer noch wage ich nicht, daran zu glauben, doch der Inder verschwindet hinter einem Vorhang, w"ahrend ich einen kurzen Blick auf Jutta werfe. Sie zuckt nur die Achseln. Schon kommt er zur"uck und h"alt in beiden H"anden b"undelweise Geldscheine. Vor Gl"uck k"onnte ich heulen. Ich wusste es, ich wusste, dass Lketinga nicht hinter meinem Geld her war. In dem Moment, als ich das viele Geld an mich nehme, f"uhle ich eine ungeahnte St"arke in mir wachsen. Mein Vertrauen ist zur"uckgekehrt. Das ganze Geschw"atz und die Ger"uchte kann ich absch"utteln. "Wir gehen auf die Strasse, nachdem ich den Inder f"ur seine Ehrlichkeit belohnt habe.
Dann sagt Jutta endlich: „Corinne, diesen Massai musst du wirklich finden. Nun glaube ich dir die ganze Geschichte und vermute auch, dass andere ihre Finger im Spiel haben.“
Gl"ucklich falle ich ihr um den Hals. „Komm“, sage ich, „ich lade dich ein, wir gehen essen wie die Touristen!“
W"ahrend des Essens planen wir unser weiteres Vorgehen. Jutta schl"agt vor, in etwa einer Woche zum Samburu-District zu starten. Es sei ein langer Weg bis Maralal, dem District-Dorf, wo sie Ausschau halten will nach einem Massai, den sie vielleicht von der K"uste her kennt. Dem wird sie die Fotos von Lketinga zeigen, und mit etwas Gl"uck werden wir seinen Aufenthaltsort ausfindig machen. „Dort kennt praktisch jeder jeden.“ Meine Hoffnung steigt von Minute zu Minute. Wohnen k"onnten wir bei ihren Freunden, denen sie dort helfe, ein Haus zu bauen. Mit allem, was sie mir vorschl"agt, bin ich einverstanden, wenn nur endlich etwas passiert und ich nicht l"anger unt"atig abwarten muss.
Die Woche mit Jutta gestaltet sich vergn"uglich. Ich helfe ihr, Termine f"ur diverse Portraits zu bekommen, und sie malt. Es klappt gut, und wir lernen angenehme Leute kennen. Die Abende verbringen wir meistens in der Bush-Baby-Bar, da Jutta anscheinend Nachholbedarf an Musik und Unterhaltung hat. Trotzdem muss sie aufpassen, dass sie das verdiente Geld nicht gleich wieder ausgibt, denn sonst sind wir in einem Monat noch hier.
Endlich packen wir unsere Sachen. Etwa die H"alfte der Kleider nehme ich in der Reisetasche mit, den Rest lasse ich im H"auschen bei Priscilla. Sie ist nicht gl"ucklich "uber mein Weggehen und meint, es sei fast unm"oglich, einen Massai-Krieger zu finden. „Sie ziehen st"andig von Ort zu Ort. Sie haben kein Zuhause, solange sie nicht verheiratet sind, und h"ochstens seine Mutter weiss viel eicht, wo er ist.“ Aber ich lasse mich nicht mehr abbringen von meinem Plan. Ich bin sicher, das einzig Richtige zu tun.