Die weisse Massai
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Ja, m"ude bin ich. Wo genau Malindi liegt, weiss ich nicht, und Kleider zum Wechseln sind auch nicht hier. Er meint, kein Problem, ich k"onne bei den
„Massailadies“ schlafen, und morgen fr"uh sei er wieder hier. Das macht mich wieder v"ollig wach. Hier bleiben, ohne ihn und ohne nur ein Wort sprechen zu k"onnen, diese Vorstellung erf"ullt mich mit Panik. „No, we go to Malindi together“, beschliesse ich. Lketinga lacht endlich wieder, und das vertraute „No problem!“
ert"ont. Mit einigen anderen Massai steigen wir in einen "offentlichen Bus, der wirklich bequemer ist als diese halsbrecherischen Matatus. Wir sind in Malindi, als ich aufwache.
Als erstes suchen wir ein Einheimischen-Lodging, weil nach der Show wahrscheinlich al es ausgebucht sein wird. Viel Auswahl gibt es nicht. Wir finden eines, in dem sich bereits andere Massai einquartiert haben, und bekommen den letzten leeren Raum. Er ist nicht gr"osser als drei mal drei Meter. An zwei Betonw"anden steht ein Eisenbett mit d"unnen, durchh"angenden Matratzen und jeweils zwei Wolldecken darauf. Von der Decke h"angt eine nackte Gl"uhbirne herunter, und zwei St"uhle stehen verloren im Raum. Wenigstens kostet es fast nichts, pro Nacht umgerechnet vier Franken. Uns bleibt gerade noch eine halbe Stunde Zeit, bevor die Vorf"uhrung der Massai-T"anzer beginnt. Ich gehe schnell eine Cola trinken.
Als ich kurz darauf in unser Zimmer zur"uckkomme, staune ich nicht schlecht.
Lketinga sitzt auf einem der durchh"angenden Betten, die Jeanshose bis zu den Knien heruntergezogen und reisst "argerlich daran herum. Offensichtlich wil er sie ausziehen, weil wir gleich los m"ussen und er nat"urlich nicht in europ"aischer Kleidung auftreten kann. Bei diesem Anblick kann ich nur m"uhsam mein Lachen unterdr"ucken.
Da er die Turnschuhe an hat, gelingt es ihm nicht, die Jeans dar"uberzuziehen. Nun h"angt die Hose an seinen Beinen und geht weder rauf noch runter. Lachend knie ich nieder und versuche, die Schuhe wieder aus den Jeansbeinen herauszukriegen, wobei er schreit: „No, Corinne, out with this!“
auf die Hose zeigend. „Yes, yes“,
antworte ich und versuche zu erkl"aren, dass er zuerst wieder hineinsteigen muss, dann die Schuhe ausziehen soll, erst dann k"onne er sich der Hose entledigen.
Die halbe Stunde ist l"angst um, und wir hetzen zum Hotel. In seinem bew"ahrten Outfit gef"allt er mir tausendmal besser. Er hat schon grosse Blasen an den Fersen von den neuen Schuhen, die er nat"urlich ohne Socken tragen wollte. Wir erreichen gerade noch rechtzeitig die Show. Ich setze mich zu den weissen Zuschauern, die mich zum Teil absch"atzig mustern, da ich immer noch dieselben Kleider wie am Morgen anhabe, die sicher nicht sch"oner und sauberer geworden sind. Auch rieche ich nicht so frisch wie die eben geduschten Weissen, von meinen verklebten langen Haaren ganz zu schweigen. Trotzdem bin ich wahrscheinlich die stolzeste Frau in diesem Raum. Beim Anblick der tanzenden M"anner "uberkommt mich dieses mir nun schon bekannte Gef"uhl der Dazugeh"origkeit.
Als die Show und der Verkauf vorbei sind, ist es fast Mitternacht. Ich wil nur noch schlafen. Im Lodging m"ochte ich mich notd"urftig waschen, doch Lketinga kommt, gefolgt von einem weiteren Massai, in unseren Raum und meint, sein Freund k"onne doch im zweiten Bett schlafen. Ich bin nicht gerade erfreut "uber die Vorstel ung, mit einem fremden Mann diese drei mal drei Meter zu teilen, aber ich sage nichts, um nicht unh"oflich zu erscheinen. Also quetsche ich mich in meinen Kleidern mit Lketinga auf das schmale, durchh"angende Bett und schlafe trotzdem irgendwann ein.
Morgens kann ich endlich duschen, zwar nicht sehr luxuri"os mit sp"arlichem Wasserstrahl, dazu noch eiskalt. Trotz der dreckigen Kleider f"uhle ich mich auf der Fahrt zur"uck zur S"udk"uste etwas besser.
In Mombasa kaufe ich mir ein einfaches Kleid, da wir im Office wegen des Passes und der Formulare vorbeischauen wol en. Heute klappt es tats"achlich. Nach dem Begutachten des vorl"aufigen Tickets und der Bescheinigung "uber das Depotgeld erhalten wir endlich ein Antragsformular. Beim Versuch, die vielen Fragen zu beantworten, stel e ich fest, dass ich die meisten kaum verstehe, und beschliesse deshalb, das Papier mit Ursula und ihrem Mann auszuf"ullen. Nach f"unf Stunden Fahrt sind wir schliesslich wieder an der S"udk"uste in unserem H"auschen. Priscilla hat sich bereits grosse Sorgen gemacht, da sie nicht wusste, wo wir die Nacht verbracht haben. Lketinga muss ihr erkl"aren, warum er in der europ"aischen Aufmachung daherkommt. Ich lege mich etwas hin, weil es draussen wirklich heiss ist. Hunger habe ich auch. Sicher bin ich schon um etliche Kilo leichter geworden.
Mir bleiben noch sechs Tage bis zum Heimflug, und ich habe mit Lketinga noch nicht "uber eine gemeinsame Zukunft in Kenia gesprochen. Alles dreht sich nur um diesen bl"oden Pass. So mache ich mir Gedanken, was ich hier anfangen k"onnte. Zum Leben ben"otigt man bei diesem bescheidenen Stil nicht viel Geld, und trotzdem brauche ich eine Aufgabe und zus"atzliche Einnahmen. Da kommt mir die Idee, in einem der vielen Hotels ein Ladenlokal zu suchen. Ich k"onnte ein oder zwei Schneiderinnen besch"aftigen, Schnittmuster von Kleidern aus der Schweiz mitbringen und hier eine Schneiderei betreiben. Sch"one Stoffe gibt es im "Uberfluss, gute N"aherinnen ebenfalls, die f"ur etwa 300 Franken im Monat arbeiten, und verkaufen ist meine absolute St"arke.
Von dieser Idee begeistert, rufe ich Lketinga ins H"auschen und versuche sie ihm zu erkl"aren, merke aber bald, dass er mich nicht versteht. Doch das erscheint mir jetzt wichtig, und deshalb hole ich Priscil a hinzu. Sie "ubersetzt, und Lketinga nickt nur ab und zu. Priscil a erkl"art mir, ohne Arbeitsbewilligung oder Heirat k"onne ich mein Vorhaben nicht verwirklichen. Die Idee sei gut, denn sie kenne hier einige Leute, die mit einer Massschneiderei gutes Geld verdienen. Ich frage Lketinga, ob er denn eventuel an einer Heirat interessiert sei. Entgegen meinen Erwartungen reagiert er zur"uckhaltend. Er meint auch recht vern"unftig, da ich ein so gutgehendes Gesch"aft in der Schweiz habe, solle ich dies nicht verkaufen, sondern statt dessen lieber zwei-oder dreimal im Jahr zu „holidays“ kommen, er werde immer auf mich warten!
Nun werde ich etwas ungehalten. Nachdem ich drauf und dran bin, in der Schweiz alles aufzugeben, macht er mir Ferienvorschl"age! Ich bin entt"auscht. Er merkt es sofort und sagt, nat"urlich zu Recht, dass er mich nicht richtig kenne und ebensowenig meine Familie. Er brauche Zeit zum "Uberlegen. Auch ich m"usse nachdenken, und ausserdem k"ame er eventuell in die Schweiz. Ich sage nur: „Lketinga, wenn ich etwas mache, dann richtig und nicht halb.“ Entweder m"ochte er, dass ich komme und er empfindet "ahnlich wie ich, oder ich versuche, al es zu vergessen, was zwischen uns geschehen ist.
Am n"achsten Tag suchen wir Ursula und ihren Mann im Hotel auf, um das Formular auszuf"ullen. Wir treffen sie aber nicht an, weil sie auf eine mehrt"agige Safari gegangen sind. Wieder einmal verfluche ich mein sp"arliches Englisch. Wir suchen jemand anderen zum "Ubersetzen. Lketinga wil nur einen Massai, anderen traut er nicht.
Wir fahren wieder nach Ukunda und hocken Stunden im Teehaus, bis endlich ein Massai auftaucht, der lesen, schreiben und Englisch sprechen kann. Seine "uberhebliche Art gef"allt mir zwar nicht, doch gemeinsam mit Lketinga f"ullt er alles aus, meint aber gleichzeitig, ohne Schmiergeld funktioniere hier nichts. Da er mir seinen Pass zeigt und anscheinend schon zweimal in Deutschland war, glaube ich ihm. Er f"ugt hinzu, durch meine weisse Haut steige das Schmiergeld gleich ins F"unffache. Am n"achsten Tag werde er mit Lketinga gegen ein kleines Entgelt nach Mombasa fahren und al es erledigen. Missmutig willige ich ein, denn langsam habe ich keine Geduld mehr, mich mit dem arroganten Officer herumzuschlagen. F"ur nur 50 Franken will er al es erledigen und Lketinga sogar bis zum Flughafen begleiten.