Die weisse Massai
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Ich bin v"ol ig verzweifelt und weiss nicht mehr, was und vor al em wem ich glauben soll. Nur mein Gef"uhl sagt mir, dass man Lketinga gegen seinen Willen vor meiner R"uckkehr weggebracht hat. Am selben Abend kommen die ersten Krieger in mein H"auschen, um mir den Hof zu machen. Als der zweite eindeutig wird und meint, ich brauche ihn als boyfriend, da Lketinga „crazy“ sei und nicht mehr herkomme, werfe ich, erbost "uber soviel Frechheit, alle hinaus. Als ich Priscil a davon erz"ahle, lacht sie nur, das sei normal, ich solle al es nicht so eng sehen. Offensichtlich hat auch sie noch nicht begriffen, dass ich nicht irgend jemanden will, sondern mein ganzes Leben in der Schweiz f"ur Lketinga aufgegeben habe.“
Am n"achsten Tag schreibe ich gleich einen Brief an seinen Bruder James in Maralal. Vielleicht weiss er mehr. Nun werden sicher zwei Wochen vergehen, bevor ich Antwort erhalte. Zwei lange Wochen, in denen ich nicht erfahre, was los ist, da werde ich verr"uckt! Am vierten Tag halte ich es nicht mehr aus. Klammheimlich beschliesse ich, aufzubrechen und die weite Strecke nach Maralal auf mich zu nehmen. Dort werde ich weitersehen, aber ich gebe nicht auf, die werden noch staunen! Nicht einmal Priscilla erz"ahle ich von meinen Pl"anen, denn ich traue niemandem mehr. Als sie an den Strand geht, um Kangas zu verkaufen, packe ich meine Reisetasche und verschwinde Richtung Mombasa.
Wieder lege ich gute 1400 Kilometer zur"uck und komme nach zwei Tagen in Maralal an. Ich beziehe dasselbe Lodging f"ur vier Franken wie beim letzten Mal, und die Besitzerin staunt, als ich schon wieder auftauche. Im sp"arlichen Zimmer lege ich mich auf die Pritsche und "uberlege: Was jetzt? Morgen gehe ich zu Lketingas Bruder.
Zuerst muss ich den Headmaster "uberreden, bevor er bereit ist, James zu holen.
Auch ihm erz"ahle ich al es, und er meint, falls er die Erlaubnis bek"ame, w"urde er mich zu seiner Mutter bringen. Der Headmaster ist nach langem Hin und Her einverstanden, wenn ich ein Auto auftreiben kann, das James und mich nach Barsaloi bringen wird. Zufrieden, so viel mit meinem sp"arlichen Englisch erreicht zu haben, ziehe ich durch Maralal und frage mich durch, wer ein Auto besitzt. Die wenigen sind fast alle Somalis. Doch wenn ich sage, wohin ich will, werde ich entweder ausgelacht, oder sie verlangen Preise, die mir astronomisch erscheinen.
Am zweiten Tag der Suche treffe ich auf meinen damaligen Retter Tom, der Lketinga gesucht und gefunden hat. Auch er m"ochte wissen, wo Lketinga ist. Erneut versteht er meine Situation und will versuchen, ein Auto zu bekommen, denn bei meiner Hautfarbe w"urde der Preis um das F"unffache steigen. Tats"achlich sitzen wir beide kurz nach Mittag in einem Landrover, den er samt Chauffeur f"ur zweihundert Franken chartern konnte. Bei James melde ich mich ab, da Tom mitkommen will.
Der Landrover f"ahrt durch Maralal und dann eine "ode, rote Lehmstrasse entlang.
Nach kurzer Zeit kommen wir in einen dichten Wald mit riesigen B"aumen, die von Lianen "uberwuchert sind. Man sieht keine zwei Meter in den Busch hinein. Auch das Str"asschen ist bald nur noch an den Fahrspuren, die die Reifen verursacht haben, erkennbar. Der Rest ist zugewachsen. Hinten im Landrover kann ich al erdings nicht viel erkennen. Nur an der Seitenlage, die ab und zu entsteht, merke ich, dass der Weg sehr steil und schr"ag sein muss. Als wir nach einer Stunde den Wald verlassen, stehen wir vor m"achtigen Felsbrocken. Hier kann es unm"oglich weitergehen! Aber meine zwei Begleiter steigen aus und verschieben einige Steine. Dann poltert das Gef"ahrt langsam "uber die Ger"ollhalde. Sp"atestens hier wird mir klar, dass der Preis nicht zu hoch ist. Nach dem wenigen, was ich sehe, aber dem vielen, das ich sp"ure, w"are ich jetzt bereit, mehr zu bezahlen. Es w"are ein Wunder, wenn wir das Auto heil hin"uberbr"achten. Aber wir schaffen es, der Chauffeur ist ein hervorragender Fahrer.
Ab und zu fahren wir an Manyattas und Kindern mit Ziegen- oder Kuhherden vorbei. Ich bin aufgeregt. Wann sind wir endlich da? Ist hier mein Darling irgendwo zu Hause, oder ist die ganze Anstrengung vergebens? Gibt es noch eine Chance?
Leise bete ich vor mich hin. Mein Retter hingegen ist sehr ruhig. Endlich "uberqueren wir ein breites Flussbett, und nach zwei oder drei Kurven ersp"ahe ich einige einfache Blockh"utten und weiter oben, auf einer Anh"ohe, ein riesiges Geb"aude, das sich von der Landschaft wie eine Oase abhebt, gr"un und sch"on. „Wo sind wir?“ frage ich meinen Begleiter. „Hier ist Barsaloi-Town und dort oben die neu gebaute Mission.
Zuerst gehen wir aber zu den Manyattas und schauen, ob Lketinga zu Hause bei seiner Mutter ist“, erkl"art er mir. Wir fahren nahe an der Mission vorbei, und ich staune "uber das viele Gr"un, denn hier ist es sehr trocken, wie in einer Halbw"uste oder Steppe.
Nach dreihundert Metern biegen wir ab und holpern "uber die Steppe. Zwei Minuten sp"ater h"alt das Fahrzeug. Tom steigt aus und fordert mich auf, ihm langsam nachzukommen. Den Chauffeur bittet er zu warten. Unter einem grossen, flachen Baum sitzen mehrere Erwachsene und Kinder. Mein Begleiter geht auf die Leute zu, w"ahrend ich in angemessenem Abstand warte. Alle blicken her"uber. Nach l"angerem Schwatz mit einer alten Frau kommt er zur"uck und sagt: „Corinne, come, his Mama teils me, Lketinga is here.“
Wir gehen durch hohes, stacheliges Geb"usch und gelangen zu drei sehr einfachen Manyattas, die in etwa f"unf Metern Abstand voneinander stehen. Vor der mittleren stecken zwei lange Speere im Boden. Tom deutet darauf und sagt: „Here he is inside.“
Ich wage mich nicht zu bewegen, und so b"uckt er sich und geht hinein. Da ich dicht hinter ihm bin, verdeckt mich sein R"ucken. Nun h"ore ich Tom sprechen und kurz darauf Lketingas Stimme. Jetzt halte ich es nicht mehr aus und quetsche mich vorbei. Wie "uberrascht und freudig, ja ungl"aubig Lketinga mich in diesem Moment ansieht, werde ich mein ganzes Leben nicht mehr vergessen. Er liegt auf einem Kuhfell in dem kleinen Raum hinter der Feuerstel e im rauchigen Halbdunkel und lacht pl"otzlich los. Tom macht Platz, so gut es geht, und ich krieche in seine ausgestreckten Arme. Wir halten uns lange fest. „I know always, if you love me, you come to my home.“
Dieses Wiedersehen, ja Wiederfinden ist sch"oner als alles bisher Dagewesene. In dieser Minute weiss ich, hier werde ich bleiben, auch wenn wir nichts haben ausser uns. Lketinga spricht mir aus dem Herzen, als er sagt: „Now you are my wife, you stay with me like a Samburu-wife.“
Ich bin "ubergl"ucklich.
Mein Begleiter schaut mich skeptisch an und fragt, ob er wirklich allein mit dem Landrover nach Maralal zur"uckfahren sol. Es sei schwer f"ur mich hier. Es g"abe fast nichts zu essen, und schlafen m"usse ich am Boden. Zu Fuss nach Maralal k"ame ich auch nicht. Mir ist das alles egal, und ich sage zu ihm: „Wo Lketinga lebt, da kann auch ich leben.“
F"ur einen kurzen Moment wird es dunkel in der H"utte, Lketingas Mutter schiebt sich durch das kleine Loch am Eingang. Sie setzt sich gegen"uber der Feuerstelle nieder und schaut mich lange schweigend und d"uster an. Ich bin mir bewusst, dass dies entscheidende Minuten sind, und sage nichts. Wir sitzen da, halten unsere H"ande, und unsere Gesichter gl"uhen. W"urden wir Licht damit erzeugen, w"are die H"utte hell erleuchtet.
Lketinga spricht nun ein paar Worte mit ihr, und ab und zu verstehe ich nur