Die weisse Massai
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Einige sehen mich unverhohlen an, w"ahrend ich bald nicht mehr weiss, wohin ich schauen soll. So viele nackte M"anner, denen dies nicht einmal bewusst ist, habe ich noch nie gesehen. Die schlanken, grazi"osen K"orper gl"anzen wundersch"on in der Morgensonne.
Da ich nicht recht weiss, wie ich mich in dieser ungewohnten Situation verhalten soll, schlendere ich weiter und setze mich nach ein paar Metern an das sp"arlich fliessende Wasser, um die F"usse zu waschen. Lketinga tritt zu mir und meint:
„Corinne, come, here is not good for lady!“
Wir gehen um eine weitere Biegung des Flussbettes, bis wir nicht mehr gesehen werden k"onnen. Hier entbl"attert er sich und w"ascht sich. Als auch ich al es ausziehen m"ochte, schaut er mich erschrocken an. „No, Corinne, this is not good!“
„Warum?“ frage ich. „Wie sol ich mich waschen, wenn ich mein T-Shirt und den Rock nicht ausziehen kann?“ Er erkl"art mir, dass ich die Beine nicht entbl"ossen d"urfe, das sei unsittlich. Wir debattieren, und schliesslich knie ich doch nackt am Fluss und wasche mich gr"undlich. Lketinga seift mir den R"ucken und die Haare ein, dabei blickt er st"andig um sich, ob uns wirklich niemand beobachtet.
Das Waschritual dauert etwa zwei Stunden, dann gehen wir zur"uck. Am River herrscht jetzt heftiges Treiben. Mehrere Frauen waschen sich Kopf und F"usse, andere graben L"ocher, damit sie die Ziegen tr"anken k"onnen, und wieder andere sch"opfen geduldig ihre Beh"alter voll Wasser. Auch Lketinga stellt seinen kleinen Wasserkanister hin, den ihm sofort ein M"adchen f"ullt.
Dann schlendern wir durch das Dorf, weil ich die Gesch"afte besichtigen wil. Es gibt drei viereckige Lehmh"uttchen, die Gesch"afte sein sollen. Lketinga spricht mit den jeweiligen Besitzern, die al e Somalis sind. "Uberall sch"utteln sie den Kopf. Es gibt nichts zu kaufen ausser etwas Teepulver oder Kimbo-Fettb"uchsen. Beim gr"ossten finden wir noch ein Kilogramm Reis. Als er es uns einpacken will, entdecke ich, dass der Reis voller kleiner schwarzer K"aferchen ist. „O no“, sage ich, „I don't want this!“
Er bedauert und nimmt ihn zur"uck. Wir haben also nichts zu essen.
Unter einem Baum sitzen mehrere Frauen und bieten Kuhmilch aus ihren Kalebassen zum Verkauf an. Also kaufen wir wenigstens Milch. F"ur wenige M"unzen nehmen wir zwei gef"ullte Kalebassen, etwa einen Liter, mit nach Hause. Die Mama freut sich "uber so viel Milch. Wir kochen Chai, und Saguna erh"alt eine ganze Tasse voll Milch. Sie ist gl"ucklich.
Lketinga und die Mama besprechen die missliche Lage. Ich wundere mich wirklich, wovon sich die Leute ern"ahren. Ab und zu gibt es ein Kilo Maismehl von der Mission f"ur alte Frauen, aber auch von dort ist vorl"aufig nichts zu erwarten. Lketinga beschliesst, am Abend eine Ziege zu schlachten, sobald die Herde nach Hause kommt. "Uberw"altigt von al dem Neuen, versp"ure ich noch keinen Hunger.
Den restlichen Nachmittag verbringen wir in der Manyatta, da sich die Mutter unter dem grossen Baum mit anderen Frauen unterh"alt. Endlich k"onnen wir uns lieben.
Vorsichtshalber behalte ich meine Kleider an, immerhin ist es Tag und jederzeit kann jemand in die H"utte kommen. Den kurzen Liebesakt vol ziehen wir an diesem Nachmittag mehrere Male. Es ist ungewohnt f"ur mich, dass al es immer so schnell vorbei ist und andererseits nach nur kurzer Pause wieder beginnt. Aber es st"ort mich nicht, ich vermisse nichts. Ich bin gl"ucklich, bei Lketinga zu sein.
Abends kommen die Ziegen nach Hause und mit ihnen auch Lketingas "alterer Bruder, Sagunas Vater. Zwischen ihm und der Mutter entwickelt sich ein heftiges Gespr"ach, wobei er mich ab und zu wild mustert. Sp"ater erkundige ich mich bei Lketinga. Ausf"uhrlich versucht er mir zu erz"ahlen, sein Bruder mache sich nur grosse Sorgen um meine Gesundheit. Es w"urde sicher nicht lange dauern, bis der District-Chief herk"ame und wissen wolle, warum eine weisse Frau in dieser H"utte lebe, das sei doch nicht normal.
In zwei bis drei Tagen w"ussten in der gesamten Region alle Menschen, dass ich hier sei, und w"urden herkommen. Wenn mir etwas passiere, k"ame gar die Polizei, und das sei noch nie in der ganzen Geschichte der Leparmorijos, das ist ihr Familienname, vorgekommen. Ich beruhige Lketinga und versichere ihm, dass mit mir und meinem Pass al es in Ordnung sei, falls der Chief k"ame. Bis jetzt war ich in meinem ganzen Leben noch nie ernsthaft krank. Schliesslich gehen wir ja jetzt eine Ziege essen, und ich werde mich bem"uhen, viel zu verzehren.
Sobald es dunkel ist, ziehen wir zu dritt los, Lketinga, sein Bruder und ich. Lketinga hat eine Ziege im Schlepptau. Wir gehen etwa einen Kilometer vom Dorf entfernt in den Busch, da Lketinga nicht in der H"utte von Mama essen darf, wenn sie anwesend ist. Mich akzeptiert man notgedrungen, weil ich eine Weisse bin. Was denn Mama und Saguna sowie deren Mutter essen w"urden, frage ich. Lketinga lacht und erkl"art, gewisse St"ucke seien f"ur die Frauen und w"urden nicht von M"annern gegessen.
Diese und alles, was wir nicht "assen, br"achten wir Mama nach Hause. Sie sei, wenn es Fleisch g"abe, bis sp"at in die Nacht wach, sogar Saguna w"urde wieder geweckt.
Ich bin beruhigt, obwohl ich st"andig zweifle, ob ich alles richtig verstehe, denn unsere Verst"andigung in Englisch, gemischt mit Massai sowie H"anden und F"ussen, ist immer noch sehr sp"arlich.
Endlich sind wir am geeigneten Platz angelangt. Es wird Holz gesucht, und gr"une "Aste werden von einem Busch geschlagen. Sie werden auf dem sandigen Boden zu einer Art Bett geb"uschelt. Dann packt Lketinga die meckernde Ziege an den Vorder-und Hinterbeinen und legt sie seitw"arts auf das Gr"unbett. Sein Bruder h"alt den Kopf und erstickt das arme Tier, indem er ihm Nase und Mund zudr"uckt. Es zappelt kurz und heftig und schaut bald starr und reglos in die sternenklare Nacht. Notgedrungen muss ich alles aus n"achster N"ahe mit ansehen, da ich hier im Dunkeln nicht weggehen kann. Etwas emp"ort frage ich, warum man der Ziege nicht die Kehle durchschneidet, statt sie so grausam zu ersticken. Die Antwort ist kurz. Bei den Samburus darf kein Blut fliessen, bevor das Tier tot ist, das sei schon immer so gewesen.
Jetzt wohne ich zum ersten Mal der Zerlegung eines Tieres bei. Am Hals wird ein Schnitt gemacht, und w"ahrend der Bruder am Fel zieht, entsteht eine Art Mulde, die sich sofort mit Blut f"ullt. Angeekelt schaue ich zu und wundere mich, als sich Lketinga tats"achlich "uber diese Blutlache beugt und mehrere Schlucke daraus schl"urft. Sein Bruder macht dasselbe. Ich bin entsetzt, sage jedoch kein Wort.
Lachend zeigt Lketinga auf die "Offnung: „Corinne, you like blood, make very strong!“