Die weisse Massai
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Pl"otzlich sehe ich eine grosse Herde auf dem Weg stehen. Ich bremse sofort ab und wundere mich. Hatte mir nicht Lketinga erz"ahlt, dass hier keine Kuhherden weiden? Doch als ich mich den Tieren auf etwa f"unfzig Meter gen"ahert habe, realisiere ich, dass die K"uhe ausgewachsene B"uffel sind.
Was hat Lketinga gesagt? Das gef"ahrlichste Tier ist nicht der L"owe, sondern der B"uffel. Und nun sind hier mindestens dreissig St"uck, sogar mit Jungtieren. Es sind riesige Kolosse mit gef"ahrlichen H"ornern und breiten Nasen. W"ahrend die einen friedlich weitergrasen, schauen einige zu meinem Auto. Zwischen der Herde dampft es. Oder ist es Staub? Gebannt starre ich auf die Tiere. Soll ich hupen oder nicht?
Kennen die ein Fahrzeug? Als sie die Strasse nicht freigeben wol en, hupe ich nach l"angerem Warten doch. Sofort schauen al e Tiere hoch. Vorsichtshalber lege ich den R"uckw"artsgang ein und hupe in kurzen Abst"anden weiter. Da ist es vorbei mit dem friedlichen Grasen. Einige der Kolosse beginnen zu bocken, schlagen mit gesenktem Kopf um sich. Gebannt sehe ich dem Schauspiel zu. Hoffentlich ziehen sie ab in den dichten Wald und kommen nicht den Weg hoch! Doch bevor meine Augen al es erfasst haben, steht kein Tier mehr auf dem Weg. Der Spuk ist vorbei. Nur eine Staubwolke bleibt zur"uck.
Vorsichtshalber warte ich noch einige Minuten, bevor ich mit durchgetretenem Gaspedal den Weg hinunterrase. Der Landrover klappert, als w"urde er auseinanderbrechen. Nur weg hier, ist mein einziger Gedanke. Auf der H"ohe der verschwundenen Tiere blicke ich kurz in den Wald, sehe aber kaum einen Meter weit. Lediglich den frischen Kot rieche ich. Das Lenkrad muss ich mit al er Kraft festhalten, damit es mir nicht aus der Hand ger"uttelt wird. Nach f"unf Minuten rasanter Fahrt werde ich langsamer, weil die Strasse immer steiler wird. Ich stoppe und lege den Vierrad ein. Mit seiner Hilfe hoffe ich, dieses schr"age St"uck zu bew"altigen, ohne zu kippen, da immer wieder Erdrisse oder Schlagl"ocher auftauchen. Fieberhaft bete ich, dass das Fahrzeug auf seinen vier R"adern bleibt. Nur nie kuppeln, damit der Gang nicht herausf"allt! Alles m"ogliche geht mir durch den Kopf, w"ahrend ich Meter um Meter vorw"arts fahre. Der Schweiss tropft mir in die Augen, doch wegwischen kann ich ihn nicht, denn ich muss mit beiden H"anden das Steuerrad fest umklammern.
Nach zwei- bis dreihundert Metern ist das Hindernis "uberwunden. Der Wald lichtet sich langsam, und ich bin froh, dass es hel er um mich wird. Kurz darauf stehe ich vor der Ger"ollhalde. Auch diese hatte ich anders in Erinnerung. Als ich die Strecke das erste Mal mitfuhr, sass ich hinten, und meine Gedanken galten nur Lketinga.
Ich halte an und steige aus, um zu sehen, ob die Strasse wirklich weitergeht. Die Steine sind an einigen Stellen halb so hoch wie das Rad des Landrovers. Jetzt packt mich doch das Entsetzen, und ich f"uhle mich allein und "uberfordert trotz meiner guten Fahrkenntnisse. Um die Stufen geringer zu halten, schichte ich Steine aufeinander. Die Zeit l"auft, in zwei Stunden ist es dunkel. Wie weit ist es noch bis Barsaloi? In meiner Nervosit"at kann ich mich an nichts mehr erinnern. Ich lege den Vierrad ein und weiss, ich darf nicht bremsen oder kuppeln, sondern muss den Wagen im Vierrad dar"uberklettern lassen, obwohl es steil hinuntergeht. Die ersten Brocken nimmt der Wagen. Dabei reisst es mir fast das Steuer aus der Hand. Ich stemme den Oberk"orper mit auf und hoffe, dass al es gutgeht. Der Wagen rumpelt und "achzt. Da er so lang ist, steht das Hinterteil meistens noch auf dem letzten Brocken, w"ahrend das Vorderteil schon "uber den n"achsten Stein schleicht. In der Mitte der Ger"ollhalde passiert es: Der Motor gluckert kurz auf und stirbt dann komplett ab. Ich h"ange schr"ag "uber dem Steinbr"ucken, und der Motor ist verreckt. Wie bringe ich ihn nur wieder an? Ich dr"ucke kurz die Kupplung, und schon rollt er krachend einen halben Meter weiter. Sofort lasse ich los, denn so geht es nicht. Ich steige aus und sehe, dass ein Hinterrad in der Luft h"angt. Hinter das andere schleppe ich einen grossen Stein. Inzwischen bin ich der Hysterie nahe. Als ich ins Fahrzeug steige, sehe ich zwei Krieger auf einem nahen Felsen, die mich interessiert beobachten. Zu helfen kommt ihnen anscheinend nicht in den Sinn, trotzdem f"uhle ich mich wohler, da ich nicht mehr so allein hier draussen bin. Nun versuche ich den Motor zu starten. Er blabbert kurz an, um gleich darauf zu verstummen. Immer und immer wieder probiere ich es. Ich will hier weg. Die zwei stehen stumm auf dem Felsen. Was sollen sie auch helfen, sie verstehen wahrscheinlich ohnehin nichts von Motoren.
Als ich schon nicht mehr daran glaube, springt er pl"otzlich wieder an, als w"are nichts gewesen. Ganz, ganz langsam lasse ich die Kupplung los und hoffe, dass der Wagen "uber den dazwischengelegten Stein klettern kann. Nach kurzem Spulen und Geduld mit der Kupplung schafft er es und schaukelt weiter von Stein zu Stein. Nach etwa zwanzig Metern ist das Gr"obste vorbei, und ich kann meine Arme etwas lockern. Erst jetzt weine ich ersch"opft und bin mir der Gefahr bewusst, in der ich mich befunden habe.
Der Weg verl"auft nun ziemlich eben. Abseits des Weges erkenne ich einige Manyattas und Kinder, die aufgeregt winken. Ich verlangsame das Tempo, um ja keine Ziege zu "uberfahren, die hier so zahlreich sind. Etwa eine halbe Stunde sp"ater erreiche ich den grossen Barsaloi-River. Auch er ist nicht gefahrlos zu "uberqueren, obwohl er im Moment kein Wasser f"uhrt, daf"ur hat er Treibsand. Noch mal schalte ich den Vierrad ein und rase mit Tempo durch den etwa hundert Meter breiten River. Der Wagen nimmt die letzte Steigung vor Barsaloi, und langsam und stolz fahre ich durch das D"orfchen. "Uberall bleiben die Menschen stehen, sogar die Somalis kommen aus ihren Gesch"aften. „Mzungu, Mzungu!“ h"ore ich von allen Seiten.
Pl"otzlich steht Lketinga mitten auf der Strasse, zusammen mit zwei anderen Kriegern. Er ist im Fahrzeug, bevor ich richtig halten kann, und strahlt mich "ubergl"ucklich an. „Corinne, you come back and with this car!“
Ungl"aubig schaut er mich an und freut sich wie ein Kind. Ich m"ochte ihn am liebsten umarmen. Die beiden Krieger steigen auf seine Aufforderung ein, und wir fahren zur Manyatta. Die Mama fl"uchtet, auch Saguna springt schreiend davon.
Innerhalb kurzer Zeit ist das abgestel te Fahrzeug umringt von Alt und Jung. Mama wil das Auto nicht neben dem Baum stehen lassen, da sie f"urchtet, jemand k"onnte es mutwillig besch"adigen. Lketinga "offnet das Dornengestr"upp, und ich parke den Wagen neben der Manyatta, die neben dem grossen Fahrzeug noch kleiner wirkt. Der Gegensatz sieht wirklich grotesk aus.
Wir laden alles Essbare aus und verstauen es in der H"utte. Ich freue mich auf Mamas Tee. Sie ist gl"ucklich "uber den mitgebrachten Zucker. In den Gesch"aften gibt es wenigstens wieder Maismehl, wie ich erfahre, aber keinen Zucker. Lketinga bestaunt zusammen mit den beiden anderen den Wagen. Mama spricht dauernd mit mir. Ich verstehe zwar nichts, aber sie scheint gl"ucklich zu sein, denn als ich hilflos lache, stimmt sie mit ein.
An diesem Abend schlafen wir erst sp"at, ich muss ausf"uhrlich berichten. Bei den B"uffeln werden alle ernst, und Mama murmelt st"andig „Enkai-Enkai“, was Gott heisst.
Als der "altere Bruder mit den Ziegen nach Hause kommt, staunt auch er nicht schlecht. Es wird viel besprochen. Man m"usse das Fahrzeug bewachen, damit niemand etwas stiehlt oder gar b"oswillig besch"adigt, wird beschlossen. Lketinga will die erste Nacht im Landrover schlafen. Das Wiedersehen habe ich mir anders vorgestel t, doch ich sage nichts, weil seine Augen vol er Stolz leuchten.
Am n"achsten Tag m"ochte er bereits einen Ausflug machen und seinen Halbbruder besuchen, der in Sitedi seine K"uhe h"utet. Ich versuche Lketinga zu erkl"aren, dass wir keine grossen Ausfl"uge machen k"onnen, weil ich kein Ersatzbenzin habe. Die Benzinuhr zeigt nur noch halbvoll. Das reicht gerade, um wieder nach Maralal zu kommen. Er sieht es nur widerwil ig ein. Es tut mir ja auch leid, dass ich ihn nicht stolz durch die Gegend fahren kann, aber ich muss hart bleiben.
Drei Tage sp"ater steht der Hilfs-Chief vor unserer Manyatta. Er spricht mit Lketinga und Mama. Ich verstehe nur „Mzungu“ und „car“. Es geht um mich. In seiner schlecht sitzenden, gr"unen Uniform sieht er komisch aus. Nur das grosse Gewehr verleiht ihm etwas Autorit"at. Englisch kann er auch nicht. Sp"ater will er meinen Pass sehen. Ich zeige ihn und frage, was los sei. Lketinga "ubersetzt mir, ich m"usse mich in Maralal im Office registrieren lassen, da Europ"aer nicht in den Manyattas leben d"urften.