Die weisse Massai
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W"ahrend ich nachsinne, sagt er mir, dass es f"ur ihn nicht m"oglich sei, mich in diesem Office zu heiraten, wenn ich ihm sp"ater nicht erlauben w"urde, noch eine Samburu-Frau traditionell zu heiraten. Das ist mir nun doch zuviel, und ich kann meine Tr"anen nicht zur"uckhalten. Erschrocken schaut er mich an und fragt: „Corinne, what's the problem?“
Ich versuche, ihm zu erkl"aren, dass wir Weissen so etwas nicht kennen und ich mir das Zusammenleben so nicht vorstellen kann. Er lacht, nimmt mich in den Arm und k"usst mich kurz auf den Mund. „No problem, Corinne. Now you wil get my first wife, pole, pole.“
Er wil viele Kinder, mindestens acht. Ich muss nun doch schmunzeln und erkl"are, mehr als zwei wolle ich nicht. Eben, meint mein Krieger, dann sei es besser, wenn noch eine zweite Frau Kinder bek"ame. Und "uberhaupt wisse er ja nicht, ob ich ihm Kinder schenken k"onne, und ohne Kinder sei ein Mann nichts wert. Dieses Argument akzeptiere ich, weil ich wirklich nicht weiss, ob ich Kinder kriegen kann. Vor Kenia hatte das keine Bedeutung f"ur mich. Wir besprechen dies und jenes, bis ich zu folgendem bereit bin: Fal s ich in zwei Jahren noch kein Kind habe, darf er nochmals heiraten, anderenfalls muss er mindestens f"unf Jahre warten. Er ist mit meinem Vorschlag einverstanden, und ich beruhige mich selbst, indem ich mir sage, f"unf Jahre sind eine lange Zeit.
Wir verlassen den Schlafraum und spazieren durch Maralal in der Hoffnung, dass inzwischen der Benzinnachschub eingetroffen ist. Aber es gibt nach wie vor keines.
Daf"ur treffen wir auf meinen ewigen Retter Tom und seine junge Frau. Sie ist noch fast ein Kind und blickt scheu auf den Boden. Gl"ucklich ist dieses M"adchen nicht. Wir erw"ahnen, dass wir schon vier Tage auf Benzin warten. Unser Freund fragt, warum wir nicht an den Lake Baringo f"uhren, das sei nur etwa zwei Stunden von hier entfernt, und dort g"abe es immer Benzin.
Von diesem Vorschlag bin ich begeistert, da mir die Rumh"angerei zuwider ist. Ich schlage ihm vor, mit seiner Frau mitzukommen, da ich ihm ja noch eine Safari schuldig bin. Er bespricht sich kurz mit ihr, doch das M"adchen f"urchtet sich vor dem Auto. Lketinga lacht und kann sie schliesslich "uberzeugen. Wir nehmen uns vor, gleich am Morgen loszufahren.
Nun suchen wir die hiesige Garage auf, deren Besitzer ebenfalls ein Somali ist. Bei ihm kann ich zwei leere F"asser kaufen, die gut hinten im Landrover Platz finden. Als wir sie mit Seilen befestigt haben, f"uhle ich mich f"ur zuk"unftige Fahrten bestens ger"ustet, und wir sind gl"ucklich, dass es endlich losgeht. Nur das M"adchen ist noch kleiner und schweigsamer geworden. "Angstlich h"alt sie sich an den F"assern fest.
Endlos fahren wir auf der staubigen, holprigen Strasse dahin, ohne jeglichen Gegenverkehr. Ab und zu sehen wir Zebraherden oder Giraffen, aber weit und breit ist kein Hinweisschild oder menschliches Leben zu sichten. Pl"otzlich kippt der Landrover vorne ab, und das Steuern wird schwierig, wir haben einen Platten. Vom Radwechsel verstehe ich nicht viel. Das ist mir in meiner zehnj"ahrigen Fahrpraxis noch nie passiert. „No problem“,
meint Tom. Wir ziehen den Ersatzreifen, den Kreuzschl"ussel und den uralten Wagenheber hervor. Tom kriecht unter den Landrover, um den Wagenheber richtig zu plazieren. Mit dem Kreuzschl"ussel will er die Radmuttern l"osen. Doch die Kanten des Werkzeugs sind abgeschliffen, so dass der Schl"ussel an der Schraube keinen Halt findet. Deshalb versuchen wir, mit Sand, H"olzchen und T"uchern den Schl"ussel zu fixieren. Bei drei Muttern klappt es, aber die anderen sitzen fest. Wir m"ussen aufgeben. Toms Frau beginnt zu weinen und rennt in die Steppe hinaus.
Tom beruhigt uns, wir sollten sie lassen, sie k"ame wieder, doch Lketinga holt sie zur"uck, da wir nun in einem anderen District, den Baringos, sind. Wir sind verschwitzt, dreckig und sehr durstig. Zwar haben wir gen"ugend Benzin, aber nichts zum Trinken dabei, weil wir mit einer kurzen Fahrzeit gerechnet haben. So setzen wir uns in den Schatten und hoffen, dass bald ein Fahrzeug vorbeikommt, schliesslich sieht die Strasse befahrener aus als die nach Barsaloi.
Als nach Stunden nichts passiert und auch Lketinga nach einer Besichtigungstour zur"uckkommt, ohne den Baringo-See oder H"utten gefunden zu haben, beschliessen wir, die Nacht im Landrover zu verbringen. Diese Nacht scheint unendlich lang. Wir schlafen kaum vor Hunger, Durst und K"alte. Am Morgen probieren es die M"anner vergeblich noch einmal. Bis Mittag wollen wir noch warten, ob vielleicht doch Hilfe kommt. Meine Kehle ist ausgetrocknet, und die Lippen sind spr"ode. Das M"adchen weint schon wieder, und Tom verliert allm"ahlich die Geduld.
Pl"otzlich lauscht Lketinga angestrengt und glaubt ein Fahrzeug zu h"oren. Es dauert noch Minuten, bevor auch ich Motorenger"ausche wahrnehmen kann. Zu unserer grossen Erleichterung sehen wir einen Safari-Bus. Der afrikanische Fahrer h"alt und l"asst die Scheibe herunter. Die italienischen Touristen mustern uns neugierig.
Tom schildert dem Driver unser Problem, doch der bedauert, er d"urfe keine Fremden aufnehmen. Er reicht uns seinen Kreuzschl"ussel. Leider passt er nicht, er ist zu klein.
Nun versuche ich, den Fahrer zu erweichen und biete sogar Geld an. Aber er kurbelt die Scheibe hoch und f"ahrt einfach weiter. Die Italiener sagen die ganze Zeit nichts, mustern mich aber ziemlich distanziert. Anscheinend bin ich ihnen zu dreckig und die anderen zu wild. W"utend schreie ich dem davonfahrenden Bus die gr"asslichsten Schimpfw"orter hinterher. Ich sch"ame mich f"ur die Weissen, weil sich nicht einer bem"uht hat, den Fahrer zu "uberreden.
Tom ist "uberzeugt, dass wir wenigstens auf der richtigen Strasse sind, und will gerade zu Fuss aufbrechen, als wir erneut Motorenger"ausche vernehmen. Diesmal bin ich wild entschlossen, das Fahrzeug nicht ohne einen von uns weiterfahren zu lassen. Es ist ein "ahnlicher Safari-Bus, ebenfal s mit Italienern besetzt.
W"ahrend Tom und Lketinga mit dem abweisenden Fahrer verhandeln und wieder nur Kopfsch"utteln ernten, reisse ich die hintere Bust"ure auf und rufe verzweifelt hinein: „Do you speak English?“ „No, solo italiano“, t"ont es zur"uck. Nur ein j"ungerer Mann sagt: „Yes, just a little bit, what's your problem?“
Ich erkl"are, dass wir schon seit gestern morgen hier stehen, ohne Wasser und Essen, und dringend Hilfe brauchen. Der Fahrer sagt: „It's not allowed“, und will die T"ure schliessen. Doch Gott sei Dank setzt sich der junge Italiener f"ur uns ein und sagt, dass sie diesen Bus bezahlen und deshalb bestimmen k"onnen, ob jemand von uns mitf"ahrt. Tom steigt vorne beim Fahrer ein, ob dieser wil oder nicht.
Erleichtert bedanke ich mich bei den Touristen. Wir m"ussen noch fast drei Stunden ausharren, bis wir in der Ferne eine Staubwolke sichten. Endlich kommt Tom in einem Landrover mit dessen Besitzer zur"uck. Zu unserem grossen Gl"uck bringt er Cola und Brot mit. Ich will mich gleich auf das Getr"ank st"urzen, aber er mahnt mich, nur kleine Schlucke zu nehmen, sonst w"urde mir schlecht. Wie neu geboren schw"ore ich mir, mit diesem Fahrzeug nie mehr ohne Trinkwasser loszufahren.
Tom kann die letzte Radmutter nur l"osen, indem er sie mit Hammer und Meissel entzweischl"agt. Dann geht der Radwechsel z"ugig vonstatten, und bald darauf fahren wir, mit einer Schraube weniger weiter. Nach gut eineinhalb Stunden erreichen wir endlich den Lake Baringo. Die Tankstelle befindet sich direkt neben einem pomp"osen Touristen-Gartenrestaurant. Nach den "uberstandenen Strapazen lade ich alle ins Restaurant ein. Das M"adchen staunt "uber diese neue Welt, f"uhlt sich aber nicht wohl. Wir setzen uns an einen sch"onen Tisch mit Blick auf den See, in dem sich Tausende rosa Flamingos tummeln. Als ich in die staunenden Gesichter meiner Begleiter sehe, bin ich doch stolz, ihnen ausser M"uhsal auch etwas Aussergew"ohnliches bieten zu k"onnen.