Die weisse Massai
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Das Schleppen meiner Tasche bereitet mir trotz der kurzen Strecke enorme M"uhe.
Dann muss ich noch drei Stockwerke hoch, bis ich in meinem Verschlag bin. Es ist bei weitem nicht so gem"utlich wie im Igbol, und ich bin hier die einzige Weisse. Das Bett h"angt durch, und unter dem Bettgestell liegen zwei gebrauchte Kondome.
Wenigstens sind die Bettlaken sauber. Ich gehe noch schnel ins Igbol, weil ich nach Maralal in die Mission telefonieren m"ochte. Von dort k"onnten sie morgen beim "ublichen Radio-Funk in der Barsaloi-Mission melden, dass ich in zwei Tagen in Maralal eintreffe. Somit w"usste auch Lketinga von meiner Ankunft. Diese Idee kam mir im Flugzeug, und ich wil es ausprobieren, obwohl ich die Maralal-Missionare nicht kenne. Ob es gelingt, weiss ich nach dem Gespr"ach nicht. Mein Englisch ist besser geworden, doch gab es w"ahrend des Gespr"achs mehrere Missverst"andnisse, denn der gute Missionar begriff meine Botschaft nur z"ogernd.
In der Nacht schlafe ich schlecht. Anscheinend bin ich in einem Stundenhotel der Einheimischen gelandet, denn links und rechts in den R"aumen wird gequietscht, gest"ohnt oder gelacht. T"uren schlagen auf und zu. Aber auch diese Nacht geht vor"uber.
Die Busfahrt nach Nyahururu verl"auft ohne Hindernisse. Ich schaue aus dem Fenster und erfreue mich an der Landschaft. Mein Zuhause r"uckt immer n"aher. In Nyahururu regnet es, und es ist kalt. Ich muss noch einmal "ubernachten, bevor ich am n"achsten Morgen den vergammelten Bus nach Maralal nehmen kann. Die Abfahrt verz"ogert sich um anderthalb Stunden, weil das Gep"ack auf dem Busdach mit Plastikplanen zugedeckt werden muss. Auch meine grosse, schwarze Reisetasche befindet sich dort oben. Die kleinere behalte ich bei mir.
Nach der kurzen Asphaltstrasse biegen wir in die Naturstrasse ein. Aus rotem Staub ist rotbrauner Schlamm geworden. Der Bus f"ahrt noch langsamer als sonst, um ja nicht in die grossen L"ocher zu geraten, die jetzt mit Wasser gef"ullt sind. Er schl"angelt sich vorw"arts, steht manchmal fast quer und spult sich wieder auf die Fahrbahn. Wir werden die doppelte Fahrzeit ben"otigen. Die Strasse wird immer schlimmer. Ab und zu steckt ein Fahrzeug im Schlamm fest, und verschiedene Menschen versuchen es wieder flott zu kriegen. Zum Teil liegt die Fahrspur dreissig Zentimeter tiefer als der Schlamm daneben. Durch die Fenster sieht man kaum etwas, so verspritzt sind sie.
Nach etwa der H"alfte der Strecke ger"at der Bus ins Wanken und dreht mit dem Hinterteil so ab, dass er quer steht. Die hinteren R"ader stecken im Strassengraben.
Nichts geht mehr, die R"ader drehen durch. Zuerst m"ussen alle M"anner raus. Der Bus rutscht zwei Meter zur Seite und steckt wieder fest. Nun m"ussen al e aussteigen.
Kaum habe ich den Bus verlassen, stecke ich bis zu den Kn"ocheln im Schlamm. Wir stehen auf einer erh"ohten Wiese und beobachten die vergeblichen Bem"uhungen.
Viele, auch ich, schlagen "Aste von den B"uschen, die dann unter die R"ader geschoben werden. Aber es n"utzt al es nichts. Der Bus steht immer noch quer.
Einige packen ihre Habseligkeiten und gehen zu Fuss weiter. Ich frage den Fahrer, was jetzt passiert. Er zuckt mit den Schultern und meint, wir m"ussten bis morgen warten. Viel eicht h"ore es auf zu regnen, dann trockne die Strasse schnel.
Verzweifelt stecke ich wieder einmal mitten im Busch fest ohne Wasser und Esswaren, nur mit Puddingpulver, das mir nichts n"utzt. Es wird schnell kalt, und ich friere in meinen nassen Sachen. Ich begebe mich wieder zu meinem Sitz.
Wenigstens habe ich eine warme Wol decke bei mir. Falls Lketinga die Nachricht "uberhaupt bekommen hat, wartet er jetzt vergebens in Maralal. Vereinzelt packen die Leute Essbares aus. Jeder, der etwas hat, teilt es mit seinen Nachbarn. Auch mir werden Brot und Fr"uchte angeboten. Ich nehme dankend, aber besch"amt an, denn ich habe nichts anzubieten, obwohl ich am meisten Gep"ack dabei habe. Alle richten sich im Sitzen zum Schlafen ein, so gut es geht. Die wenigen freien Pl"atze geh"oren den Frauen mit Kindern. In der Nacht kommt nur noch ein Landrover vorbei, der jedoch nicht h"alt.
Um etwa vier Uhr morgens ist es so kalt, dass der Chauffeur f"ur fast eine Stunde den Motor laufen l"asst, um zu heizen. Die Zeit schleicht dahin. Langsam f"arbt sich der Himmel r"otlich, und die Sonne zeigt sich z"ogernd. Es ist kurz nach sechs. Die ersten verlassen den Bus, um ihre Notdurft hinter den B"uschen zu verrichten. Auch ich steige aus und strecke meine steifen Glieder. Vor dem Bus ist es genauso schlammig wie tags zuvor. Wir m"ussen warten, bis die Sonne richtig scheint, dann wollen wir es noch mal probieren. Von zehn Uhr bis mittags wird geschoben und versucht, den Bus aus dem Graben zu fahren. Doch weiter als dreissig Meter kommt er nicht. Eine weitere Nacht hier draussen w"are schrecklich.
Pl"otzlich sehe ich einen weissen Landrover, der sich durch den Morast schl"angelt und teils neben der Strasse f"ahrt. In meiner Verzweiflung renne ich auf den Wagen zu und stoppe ihn. In ihm sitzt ein "alteres, englisches Paar. Ich erkl"are kurz meine Situation und flehe die Leute an, mich mitzunehmen. Die Frau willigt sofort ein.
Freudig springe ich zum Bus und lasse mir meine Tasche herunterholen. Im Landrover h"ort sich die Lady entsetzt meine Geschichte an. Mitleidig h"alt sie mir ein Sandwich hin, das ich gierig verzehre.
Wir sind noch keinen Kilometer gefahren, als uns ein grauer Landrover entgegenkommt. Jetzt gilt es, h"ollisch aufzupassen, dass keiner der Wagen ins Schl"angeln kommt, da die Strasse sehr schmal ist. Wir fahren langsam, und der andere Wagen kommt schnel n"aher. Als er noch zwanzig Meter von uns entfernt ist, glaube ich, eine Fata Morgana zu sehen. „Stop, please, stop your car, this is my boyfriend!“
Am Steuer des Wagens sitzt Lketinga und f"ahrt auf dieser Horrorstrasse.
Wie verr"uckt winke ich aus dem Fenster, um auf mich aufmerksam zu machen, da Lketinga nur starr auf die Strasse blickt. Ich weiss nicht, was gr"osser ist: Meine riesige Freude und der Stolz auf ihn oder die Angst, wie er den Wagen zum Stehen bringen wird. Jetzt erkennt er mich und lacht uns stolz durch die Scheiben an. Nach etwa zwanzig Metern steht der Wagen. Ich st"urze hinaus und renne zu Lketinga. Unser Wiedersehen ist phantastisch. Er hat sich besonders sch"on bemalt und geschm"uckt.
Ich kann meine Freudentr"anen kaum zur"uckhalten. Er hat zwei Begleiter bei sich und gibt mir freiwillig die Schl"ussel, jetzt solle lieber ich zur"uckfahren. Wir holen mein Gep"ack und laden um. Ich bedanke mich bei meinen Gastgebern, und der Engl"ander meint, jetzt verstehe er, bei so einem sch"onen Mann, warum ich hier sei.
W"ahrend der R"uckfahrt erz"ahlt Lketinga, dass er auf den Bus gewartet habe. Er hatte die Nachricht von Pater Giuliano erhalten und war sofort nach Maralal marschiert. Erst gegen zweiundzwanzig Uhr erfuhr er, dass der Bus steckengeblieben war und eine Weisse dabei sei. Als am Morgen der Bus wieder nicht kam, war er in die Garage gegangen, hatte unser repariertes Auto geholt und war einfach losgefahren, um seine Frau zu retten. Ich kann es nicht fassen, wie er das geschafft hat. Die Strasse ist zwar ziemlich gerade, aber ganz und gar schlammig. Er fuhr alles im zweiten Gang und musste ab und zu den abgestorbenen Motor wieder anlassen, aber sonst „hakuna matata, no problem“.