Die weisse Massai
Шрифт:
Die Frau verlangt in ihrer Todesangst mein Messer. Fieberhaft "uberlege ich, was ich machen soll, dann entscheide ich mich, es ihr nicht auszuh"andigen. Pl"otzlich erhebt sie sich von der Decke und geht in die Hocke. Das M"adchen und ich starren entsetzt auf die mit dem Tod k"ampfende Frau. Sie fasst mit beiden H"anden in ihre Scheide und w"urgt und dreht an dem Arm, bis nach einiger Zeit ein blauviolettes, unterentwickeltes Kind auf der Wol decke liegt. Gleichzeitig f"allt sie ersch"opft zur"uck und bleibt v"ollig starr liegen. Ich fasse mich als erste und wickle das blutige, tote, etwa siebenmonatige Kind in einen Kanga. Dann fl"osse ich der Frau wieder Wasser ein. Sie zittert am ganzen Leib, doch strahlt sie nun v"ollige Ruhe aus. Ich versuche, ihr die H"ande zu reinigen und spreche beruhigend auf sie ein. Dabei lausche ich angestrengt in den Busch. Nach einer Weile h"ore ich ein leises Motorenger"ausch.
Ein Stein der Erleichterung f"allt mir vom Herzen, als ich kurz darauf Scheinwerferlicht durch das Geb"usch erblicke. Ich halte meine Taschenlampe in die H"ohe, damit sie uns rechtzeitig sehen. Es ist der Sanit"ats-Rover vom Spital. Drei M"anner steigen aus. Ich erkl"are ihnen, was geschehen ist, und sie laden die Frau auf einer Bahre in ihr Auto, ebenso das B"undel mit dem toten Baby. Auch das M"adchen f"ahrt mit. Der Fahrer des Rover schaut sich meinen Wagen an. Er dreht den Z"undschl"ussel und weiss sofort, was fehlt. Er zeigt mir ein Kabel, das hinter dem Steuerrad herunterh"angt. Das Z"undkabel ist herausgerissen. In nur einer Minute hat er es wieder befestigt, und der Wagen springt an. W"ahrend die anderen nach Maralal zur"uckfahren, begebe ich mich in die andere Richtung nach Hause. V"ol ig ersch"opft und verst"ort erreiche ich unsere Manyatta. Mein Mann will wissen, warum ich erst so sp"at zur"uckgekommen bin. Ich versuche zu erz"ahlen und merke, dass er mir nicht glaubt. Verzweifelt "uber seine Reaktion begreife ich nicht, warum er mir so wenig Vertrauen entgegenbringt. Schliesslich kann ich nichts daf"ur, dass der Wagen immer schlapp macht, wenn er nicht dabei ist. Ich lege mich schlafen und lasse mich auf keine weitere Diskussion ein.
Am n"achsten Tag gehe ich lustlos arbeiten. Kaum habe ich ge"offnet, erscheint der Lehrer und bedankt sich "uberschwenglich f"ur meine Hilfe, fragt dabei aber nicht einmal, wie es seiner Frau ergangen ist. So ein Heuchler!
Etwas sp"ater kommt Pater Giuliano und l"asst sich von mir berichten. Ihm tut es leid, was wir durchmachen mussten, und es ist f"ur mich kein Trost, dass er mir die Fahrt grossz"ugig entsch"adigt. Der Frau gehe es der Situation entsprechend gut, was er "uber Radiocall erfahren habe.
Der Stress im Laden nimmt mich mehr mit, als ich wahrhaben will. Seit diesem Erlebnis schlafe ich schlecht und tr"aume in Hinblick auf meine Schwangerschaft nur schreckliche Dinge. Am dritten Morgen nach dem Ereignis bin ich so zerschlagen, dass ich Lketinga allein in den Shop schicke. Er soll mit Anna arbeiten. Ich sitze zu Hause mit Mama unter dem grossen Baum. Nachmittags kommt der Arzt vorbei und erz"ahlt mir, die Lehrersfrau sei "uber dem Berg, m"usse aber noch ein paar Wochen in Maralal bleiben.
Wir unterhalten uns "uber das Geschehen, und er versucht, mein Gewissen zu beruhigen, indem er sagt, es sei nur so gekommen, weil sie dieses Kind gar nicht haben wollte. Sie h"atte mit ihrer mentalen Kraft den Wagen zum Stillstand gebracht.
Zum Abschied fragt er mich, was mit mir los sei. Ich erw"ahne meinen schlappen Zustand, den ich den letzten Aufregungen zuschreibe. Besorgt warnt er mich vor einer eventuel en Malaria, weil meine Augen einen gelben Stich haben.
Angst um mein Kind
Abends wird bei uns ein Schaf geschlachtet. Noch nie hatte ich hier Schaffleisch, deshalb bin ich richtig neugierig. Mama bereitet unseren Anteil zu. Sie kocht mehrere St"ucke einfach in Wasser. Tassenweise trinken wir den fetten, aber faden Sud.
Mama meint, das sei gut, wenn man schwanger ist und kr"aftiger werden muss.
Offensichtlich vertrage ich es nicht, denn in der Nacht bekomme ich Durchfall.
Gerade noch kann ich meinen Mann wecken, der mir hilft, das Tor vom Dornengestr"upp zu "offnen, dann schaffe ich keine zwanzig Meter mehr.
Der Durchfall nimmt kein Ende. Ich schleppe mich zur"uck zu unserer Manyatta, und Lketinga ist ernsthaft besorgt um mich und unser Kind. Am fr"uhen Morgen erlebe ich das gleiche und muss anschliessend erbrechen. Mich fr"ostelt trotz der enormen Hitze. Nun bemerke ich auch meine gelben Augen und schicke Lketinga zur Mission.
Ich habe Angst wegen des Kindes, denn ich bin sicher, dass das der Anfang der n"achsten Malaria ist. Es dauert keine zehn Minuten, bis ich den Missionswagen h"ore und Pater Giuliano unsere H"utte betritt. Als er mich sieht, fragt er, was passiert ist.
Zum ersten Mal erz"ahle ich ihm, dass ich im f"unften Monat schwanger bin. Er ist "uberrascht, weil er nichts davon bemerkt hatte. Sofort schl"agt er vor, mich nach Wamba ins Missionsspital zu bringen, da ich sonst viel eicht das Kind durch eine Fr"uhgeburt verlieren k"onnte. Ich packe gerade noch ein paar Sachen, dann fahren wir. Lketinga bleibt zur"uck, weil wir ja den Shop ge"offnet haben.
Pater Giuliano besitzt einen Wagen, der komfortabler als meiner ist. Er f"ahrt halsbrecherisch, doch er kennt die Strasse sehr gut. Trotzdem habe ich M"uhe, mich festzuhalten, weil ich mit einer Hand meinen Bauch st"utze. Gesprochen wird nicht viel auf der knapp dreist"undigen Fahrt zum Missionsspital. Wir werden von zwei weissen Schwestern erwartet. Von ihnen gest"utzt werde ich in ein Untersuchungszimmer gef"uhrt, wo ich mich auf ein Bett legen kann. Ich staune "uber die Sauberkeit und Ordnung. Dennoch erfasst mich, so hilflos auf dem Bett liegend, eine tiefe Traurigkeit. Als Giuliano hereinkommt, um sich zu verabschieden, schiessen mir die Tr"anen aus den Augen. Erschrocken fragt er, was los ist. Ich weiss es ja selbst nicht! Ich habe Angst um mein Kind. Ausserdem habe ich meinen Mann mit dem Shop al ein gelassen. Er versucht, mich zu beruhigen und verspricht, jeden Tag nach dem Rechten zu sehen und "uber Radiocal der Schwester die Neuigkeiten durchzugeben. Bei all dem Verst"andnis, das er mir entgegenbringt, heule ich wieder los.
Er holt eine Schwester, und ich bekomme eine Spritze. Dann erscheint der Arzt, der mich untersucht. Als er h"ort, in welchem Monat ich schwanger bin, "aussert er besorgt, ich sei viel zu d"unn und habe zu wenig Blut. Das Kind sei deshalb viel zu klein. Dann folgt die Diagnose: Malaria im Anfangsstadium.
"Angstlich frage ich, welche Folgen das f"ur mein Kind hat. Er winkt ab und meint, erst m"usse ich mich erholen, dann passiert auch dem Kind nichts mehr. W"are ich sp"ater gekommen, h"atte der K"orper infolge Blutarmut die fr"uhzeitige Geburt selber eingeleitet. Aber es besteht gute Hoffnung, auf jeden Fall lebt das Kind. Bei diesen Worten bin ich so gl"ucklich, dass ich al es daran setzen wil, so schnell wie m"oglich gesund zu werden. Ich werde in der Geburten-Abteilung in einem Vierbett-Zimmer einquartiert.
Draussen bl"uhen rote Blumenb"usche, al es ist anders als in Maralal. Ich bin froh, so schnel gehandelt zu haben. Die Schwester kommt und erkl"art mir, ich werde t"aglich zwei Spritzen bekommen und gleichzeitig eine Infusion mit Kochsalzl"osung. Dies sei dringend n"otig, sonst trockne der K"orper aus. So ist also Malaria zu behandeln, und ich begreife, wie knapp ich in Maralal mit dem Leben davongekommen bin. Die Schwestern k"ummern sich r"uhrend um mich. Am dritten Tag bin ich endlich von der Infusion befreit. Die Spritzen muss ich allerdings zwei weitere Tage "uber mich ergehen lassen.