Die weisse Massai
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Als unsere Ziegen nach Hause kommen, schaut der "altere Bruder besorgt zu mir herein und versucht, auf Suaheli eine Unterhaltung zu beginnen. Doch ich bin zu m"ude und schlafe dauernd ein. Mitten in der Nacht erwache ich schweissgebadet, als ich Schritte und das Einstecken von Speeren neben unserer H"utte vernehme. Mein Herz klopft wild, als das bekannte Grunzger"ausch ert"ont und kurz darauf eine Gestalt in der H"utte erscheint. Es ist so dunkel, dass ich nichts erkenne. „Darling?“ frage ich hoffnungsvoll in die Dunkelheit. „Yes, Corinne, no problem“, ert"ont die vertraute Stimme meines Mannes. Ein Stein f"allt mir vom Herzen.
Ich erkl"are meinen Zustand, und er ist sehr besorgt. Da ich bis jetzt keinen Sch"uttelfrost hatte, habe ich immer noch die Hoffnung, dass sich durch die sofortige Einnahme von Fansidar mein Zustand normalisiert. Die folgenden Tage bleibe ich zu Hause, und Lketinga und die Boys betreiben den Laden. Langsam erhole ich mich, da auch der Durchfall nach drei Tagen ein Ende hat. Nach einer Woche Herumliegen habe ich es satt und gehe nachmittags arbeiten. Doch der Laden sieht schlimm aus.
Es wurde kaum geputzt, und al es ist voller Maismehlstaub. Die Regale sind fast leer.
Die vier Zuckers"acke sind l"angst verkauft, und Mais gibt es gerade noch anderthalb S"acke. Das heisst, wir m"ussen wieder eine Fahrt nach Maralal starten. Wir planen sie in der folgenden Woche, da f"ur die Jungen die kurzen Ferien ohnehin dann zu Ende sind und ich einige von ihnen gut nach Maralal mitnehmen kann.
Im Shop ist es ruhig. Sobald die Grundnahrungsmittel fehlen, bleiben die Kunden von weit her aus. Ich gehe Anna besuchen. Als ich zu ihrem H"auschen komme, liegt sie auf ihrem Bett. Auf die Frage, was mit ihr los sei, will sie zuerst keine Antwort geben. Mit der Zeit kriege ich heraus, dass auch sie schwanger ist. Sie sei erst im dritten Monat, hatte aber vor kurzem Blutungen und ist deswegen von der Arbeit ferngeblieben. Wir vereinbaren, dass sie wiederkommt, wenn die Burschen weg sind.
Der Schulbeginn r"uckt n"aher, und wir brechen auf. Diesmal bleibt der Laden geschlossen. Nach drei Tagen k"onnen wir den vollen Lastwagen nach Barsaloi losschicken, unser Helfer begleitet ihn. Lketinga f"ahrt mit mir durch den Dschungel.
Gl"ucklicherweise verl"auft die Fahrt problemlos. Wir erwarten den Laster kurz vor Dunkelheit. Doch statt des Lasters kommen zwei Krieger und erz"ahlen uns, der Lori stecke im letzten Flussbett fest. Wir fahren mit unserem Wagen die kurze Strecke und sehen uns die Bescherung an. In dem ausgetrockneten, breiten Fluss ist er kurz vor dem Ufer mit dem linken Rad im Sand abgesackt. Durch das lange Spulen hat es sich in den lockeren Sand gegraben.
Es stehen schon einige Leute am Ort der Misere, und zum Teil wurden bereits Steine und "Aste untergelegt. Der Laster neigt sich durch das hohe Gewicht immer schr"ager, und der Fahrer erkl"art, es n"utze alles nichts mehr, es m"usse hier abgeladen werden. Ich bin nicht sehr erfreut "uber diesen Vorschlag und m"ochte Pater Giuliano um Rat fragen. Giuliano ist nicht gerade begeistert bei meinem Auftauchen, da er bereits weiss, was geschehen ist. Dennoch steigt er in seinen Wagen und kommt mit.
Er probiert es mit einer Seilwinde, aber unsere Vierrad-Wagen schaffen es nicht, den Laster herauszuman"ovrieren. Nun m"ussen die hundert Doppelzentner-S"acke in unsere Wagen umgeladen werden. Wir k"onnen jeweils acht S"acke laden. F"unfmal f"ahrt Giuliano, dann kehrt er genervt in die Mission zur"uck. Ich fahre noch siebenmal, bis wir al es im Shop haben. Indessen ist es Nacht geworden, und ich bin am Ende meiner Kr"afte. Im Shop herrscht ein unvorstel bares Durcheinander, doch wir machen Feierabend und r"aumen erst am n"achsten Morgen die Waren ein.
H"aufig werden uns Ziegen- oder Kuhfel e zum Ankauf angeboten. Bis jetzt habe ich stets abgelehnt, aber die Frauen sind nicht zufrieden damit und verlassen zum Teil schimpfend den Laden, um die Felle bei den Somalis loszuwerden. Allerdings kaufen die Somalis seit kurzem die Felle nur von denen, die Mais oder Zucker bei ihnen beziehen. So entstehen t"aglich neue Diskussionen. Deshalb beschliesse ich, ebenfal s H"aute anzukaufen und lagere sie im hinteren Teil unseres Shops.
Keine zwei Tage vergehen, bis uns der schlaue Mini-Chief besucht und nach der Lizenz f"ur den Handel mit Tierh"auten fragt. Nat"urlich haben wir keine, weil ich von deren Notwendigkeit nichts wusste. Und ausserdem, meint er, k"onne er mir den Shop schliessen, weil es nicht erlaubt sei, die H"aute im selben Geb"aude zu lagern wie die Lebensmittel. Es m"ussten mindestens f"unfzig Meter Abstand dazwischen sein. Mir verschl"agt es bei dieser Neuigkeit die Sprache, da die Somalis bisher ihre H"aute ebenfal s im selben Raum hatten, was der Chief einfach bestreitet. Jetzt weiss ich auch, wer ihn auf uns gehetzt hat. Da ich mittlerweile fast achtzig H"aute habe, die ich beim n"achsten Mal in Maralal weiterverkaufen wil, muss ich Zeit gewinnen, um einen neuen abschliessbaren Ort zu finden. Ich biete dem Chief zwei Sodas an und bitte ihn, mir bis morgen Zeit zu geben.
Nach l"angerem Hin und Her mit meinem Mann einigen sie sich, dass wir die H"aute bis zum n"achsten Tag aus dem Shop gebracht haben. Doch wohin damit? Immerhin sind die Fel e Bargeld. Ich gehe zur Mission, um Rat zu holen. Nur Roberto ist da und meint, er habe auch keinen Platz. Wir m"ussen auf Giuliano warten. Am Abend kommt er mit dem Motorrad vorbei. Zu meiner Freude bietet er mir sein altes Wasserpumpenh"auschen in der N"ahe an, wo alte Maschinen gelagert sind. Es sei nicht viel Platz, aber besser als nichts, denn man k"onne es mit einem Schloss abschliessen. Wieder habe ich ein Problem gel"ost, und langsam wird mir klar, welch grosse Hilfe Pater Giuliano f"ur uns ist.
Der Laden l"auft gut, und Anna erscheint p"unktlich. Es geht ihr wieder besser. An einem normalen Nachmittag herrscht pl"otzlich eine Riesenaufregung. Der Nachbarsjunge st"urmt in den Shop und diskutiert aufgeregt mit Lketinga. „Darling, what happened?“
frage ich. Er antwortet, dass zwei Ziegen unserer Herde verlorengegangen sind und er sofort aufbrechen muss, um sie zu suchen, bevor es dunkel wird und die wilden Tiere sie erwischen. Gerade will er mit seinen beiden langen Speeren bewaffnet los, als das Hausm"adchen des Buschlehrers mit bleichem Gesicht im Laden erscheint.
Auch sie spricht mit Lketinga, und ich verstehe nur, dass es um unseren Wagen und Maralal geht. Beunruhigt frage ich Anna: „Anna, what's the problem?“
Z"ogernd erz"ahlt sie, dass die Frau des Lehrers zu Hause ein Kind erwartet, sie m"usse sofort ins Spital, aber bei der Mission sei niemand da.
Die Frau des Lehrers
Darling, we have to go with her to Maralal“,
sage ich aufgeregt zu meinem Mann. Er meint jedoch, das sei nicht seine Aufgabe, er m"usse seine Ziegen suchen. In diesem Moment verstehe ich ihn "uberhaupt nicht und frage w"utend, ob ihm ein Menschenleben nicht mehr wert sei als das eines Tieres. Er sieht das nicht ein, es sei schliesslich nicht seine Frau, aber seine Ziegen w"aren sp"atestens in zwei Stunden aufgefressen, und damit verl"asst er den Shop. Ich bin sprachlos und verzweifelt, dass ausgerechnet mein gutm"utiger Mann so kaltherzig sein kann.