Heute oder nie!
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JOHANNA: Ich verstehe nicht – hast du dich etwa in den Doktor verliebt?
MARINA: Und wenn es so w"are, was dann?
JOHANNA: Na das, dass sich Frauen in einem bestimmten Alter eben nicht mehr verlieben.
MARINA: So ein Alter gibt es f"ur Frauen nicht.
JOHANNA: Verlier den Verstand nicht. Wir haben trotzdem keinen anderen Ausweg.
MARINA: Es gibt einen Ausweg: Alles gestehen.
JOHANNA: Und unser Leben zerst"oren.
MARINA: Keine Sorge, ich nehm' alles auf mich.
JOHANNA: Du h"altst das f"ur Heldentum, aber es ist Dummheit.
MARINA: Das ist Berechnung. (Sanft.) "Uberleg selbst. Wenn wir unseren Plan umsetzen, dann sitzen wir h"ochstwahrscheinlich alle vier: Wir drei wegen Betrugs, und der Doktor wegen der gef"alschten Krankengeschichte. Aber im Fall eines Gest"andnisses sitze nur ich alleine, und ihr bleibt in Freiheit. Ihr werdet mir P"ackchen bringen. Ausserdem habt ihr Kinder, und ich bin alleine. Nicht zu reden vom reinen Gewissen.
JOHANNA: (Nach langem Schwanken.) Wahrscheinlich hast du Recht. (Weint.) Was bin ich nur f"ur ein Mensch: Die Dummheiten haben wir zusammen gemacht, aber ausbaden musst du sie alleine. Verzeih mir. (Umarmt Marina.)
MARINA: Na, na, wer wird denn gleich? (Beide weinen sich an den Schultern der anderen aus.) Also, nun, rufen wir den Doktor?
JOHANNA: Ruf ihn, wenn du willst.
MARINA: (Geht zur T"ure und ruft den Doktor.) Sie k"onnen eintreten. (Der Doktor kommt herein. Die Frauen trocknen ihre Tr"anen ab.) Setzen Sie sich. (Er setzt sich.)
MARINA: Jetzt erkl"aren wir Ihnen alles. Sache ist die, dass… (Zu Johanna.) Erz"ahl besser du.
JOHANNA: Gut. (Zum Doktor.) Nehmen Sie zuerst Ihre Tropfen. (Er nimmt sie gehorsam ein.) Sind Sie bereit, zuzuh"oren?
DOKTOR: Ja.
JOHANNA: Beginnen wir damit, wer wer ist. Ich bin die Frau von Anton, er ist mein Mann, Marina ist seine Schwester und er ihr Bruder. Klar?
DOKTOR: (V"ollig "uberrascht.) „Er ist mein Mann, Marina seine Schwester…“ (Klarheit bekommend.) Aber das ist doch wunderbar! Das ver"andert die Sache vollkommen. Wir heilen ihn und dann…
JOHANNA: Warten Sie. Ihn braucht man "uberhaupt nicht zu heilen, denn er ist absolut gesund.
DOKTOR: Gestatten Sie, aber sein Ged"achtnisverlust…
MARINA: Simulation, alles nur gespielt. Er hat ein hervorragendes Ged"achtnis. Nicht von ungef"ahr gilt er als der beste Kartenspieler in der Stadt.
DOKTOR: Warum haben Sie denn dann…
JOHANNA: (Im Ton eines Rechtsanwalts.) Doktor, wenn Sie dauernd Fragen stellen, kommen wir nie zum Ende.
DOKTOR: Entschuldigen Sie.
JOHANNA: Jetzt h"oren Sie. Vor zwei Jahren hat Anton im Casino eine erhebliche Summe Geld verspielt. Er fleht Marina an, ihm die Summe zu besorgen und verspricht, sie schnell zur"uckzugeben. Andernfalls, sagte er, w"urde man ihn erschiessen. Marina besorgt ihm "uber die Bank Geld, und ich habe sie leider nicht von diesem Schritt abgebracht. Ich hatte Angst um den Mann und die Kinder.
DOKTOR: Und was war dann weiter?
JOHANNA: Weiter hat Anton, anstatt die Summe zur"uckzugeben, auch dieses Geld verspielt. Die Schulden verdoppelten sich. Er rennt wieder zur Schwester und fleht sie an, ihn zu retten. Marina liebt den Bruder bis zum Ged"achtnisverlust und gibt nach. Und so versanken wir langsam aber sicher in einem Loch, aus dem wir nicht mehr herauskommen. Sie stellen sich nicht vor, wie schwer das ist: Zu wissen, dass der Mann ein Spieler ist, dass er auf der schiefen Bahn ist und die ganze Familie mit sich zieht, ihn zu lieben und retten zu wollen und nicht in der Lage zu sein, irgendetwas zu "andern…
DOKTOR: So… Aber was habe ich mit all dem zu tun?
JOHANNA: (Verwirrt geworden.) Ehrlich gesagt, diesen Teil der Geschichte zu erz"ahlen ist besonders unangenehm, aber wer „A“ sagt, muss auch „B“ sagen. Uns an Sie zu wenden, das ist meine eigene Idee.
DOKTOR: Und worin bestand die Idee?
JOHANNA: Wir begriffen, dass man uns dicht auf den Fersen ist und aufdecken wird, und in mir reifte der Plan, schnellstens daf"ur zu sorgen, dass Anton f"ur unzurechnungsf"ahig erkl"art wird. Dann k"onnte er Gericht und Urteil "uberstehen. Aber dazu brauchte man die Bescheinigung eines kompetenten und ordentlichen Arztes. So eines, wie Sie.
DOKTOR: Ach, so liegt die Sache…
JOHANNA: Wir begriffen, dass auf gew"ohnlichem Weg von Ihnen eine Bescheinigung zusammen mit der Krankengeschichte zu bekommen unm"oglich ist.
DOKTOR: Richtig.
JOHANNA: Und so habe ich mir ausgedacht, einen massierten Angriff gegen Sie zu starten, um Sie durcheinanderzubringen, in v"ollige Verwirrung, um auf diese Weise zu bekommen, was wir brauchten. Wir studierten die Symptome der Krankheit aus einem Fachbuch und haben Ihnen zu dritt dieses Spektakel vorgespielt. (Schuldbewusst.) Ich gestehe, dass das nicht klug war, unordentlich und grausam. Wir bedauern das sehr.
Marina sitzt die ganze Zeit mit gesenktem Kopf.
DOKTOR: Was weiter?
JOHANNA: Nichts. Aus.
DOKTOR: Marina, wollten Sie mir das gestehen?
MARINA: (Ohne den Kopf zu heben.) Ja.
JOHANNA: Jetzt k"onnen Sie uns hinaus werfen. Aber wir werden auch selbst gehen. Wir bitten nicht um Verzeihung – wir verdienen sie nicht. (Nimmt Marina an der Hand und geht mit ihr zum Ausgang.)
DOKTOR: Warten Sie. (Freudig.) Sie denken, dass Sie mich betr"ubt h"atten, aber tats"achlich haben Sie mich sehr erfreut.