Die weisse Massai
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Wir setzen uns in die Reihe der wartenden Menschen, die al e diesen wichtigen Mann sprechen wol en. Nach gut zwei Stunden k"onnen wir hinein. Hinter einem mond"anen Schreibtisch sitzt ein massiger Mensch, dem ich unsere Papiere auf den Tisch lege und erkl"are, dass wir um einen Heiratstermin ersuchen. Er bl"attert in meinem Pass und fragt, weshalb ich einen Massai heiraten wolle und wo wir leben w"urden. In der Aufregung f"allt es mir schwer, richtige englische S"atze zu bilden.
„Weil ich ihn liebe und wir uns in Barsaloi ein Haus bauen wol en.“ Seine Blicke wandern eine Weile zwischen Lketinga und mir hin und her. Endlich sagt er, wir sollten in zwei Tagen um vierzehn Uhr mit den Trauzeugen hier sein. Freudig bedanken wir uns und gehen hinaus.
Alles l"auft auf einmal so normal, wie ich es mir nicht im Traum erhofft h"atte.
Lketinga kauft Miraa und setzt sich mit einem Bier ins Lodging. Ich rate ihm ab, doch er meint, er brauche dies nun. Gegen neun Uhr klopft es an die T"ur. Draussen steht unser Begleiter. Auch er kaut Miraa. Wir sprechen alles noch mal durch, doch je l"anger der Abend dauert, desto unruhiger wird Lketinga. Er zweifelt, ob es richtig ist, so zu heiraten. Er kenne niemand, der dies auf dem Office macht. Jetzt bin ich froh, dass ihm der andere alles erkl"art. Lketinga nickt nur. Wenn nur die zwei Tage gut vergehen, ohne dass er durchdreht! Solche Officebesuche ertr"agt er sehr schlecht.
Am n"achsten Tag suche ich Jutta und Sophia auf und treffe beide an. Sophia lebt richtig feudal in einem Zwei-Zimmer-Haus mit elektrischem Licht, Wasser und sogar einem K"uhlschrank. Beide freuen sich "uber unsere Hochzeit und versprechen, morgen um vierzehn Uhr beim Office zu sein. Sophia leiht mir eine h"ubsche Haarspange und eine tol e Bluse. F"ur Lketinga kaufen wir zwei sch"one Kangas. Wir sind bereit.
Am Morgen unseres Hochzeitstages werde ich doch etwas nerv"os. Unsere Trauzeugen sind bis zw"olf Uhr immer noch nicht hier und wissen nicht einmal, dass in zwei Stunden ihre Anwesenheit erforderlich ist. Deshalb m"ussen wir zwei andere finden. Jomo kommt nun doch zum Zug, was mir mittlerweile egal ist, wenn wir nur eine zweite Person finden. In meiner Verzweiflung frage ich unsere Lodging-Wirtin, die sofort begeistert zustimmt. Um vierzehn Uhr stehen wir vor dem Office. Sophia und Jutta sind zur Stelle, sogar mit Fotoapparaten. Wir sitzen auf der Bank und warten mit einigen anderen Leuten. Die Stimmung ist etwas gespannt, und Jutta foppt mich st"andig. Tats"achlich habe ich mir die Minuten vor meiner Hochzeit etwas feierlicher vorgestellt.
Eine halbe Stunde ist bereits vergangen, wir werden nicht aufgerufen. Leute gehen hinein und kommen heraus. Einer f"al t mir besonders auf, da er schon zum dritten Mal hineingeht. Die Zeit verstreicht, und Lketinga regt sich auf. Er bef"urchtet, ins Gef"angnis zu m"ussen, falls mit den Papieren etwas nicht in Ordnung ist. So gut es geht, versuche ich, ihn zu beruhigen. Wegen des Miraakonsums hat er fast nicht geschlafen. „Hakuna matata, wir sind in Afrika, pole, pole“, sagt Jutta, als pl"otzlich die T"ur aufgeht und Lketinga und ich hereingebeten werden. Die Trauzeugen m"ussen warten. Jetzt wird auch mir etwas mulmig.
Der District-Officer sitzt wieder an seinem feudalen Pult, und am langen Tisch vor ihm befinden sich zwei weitere M"anner. Einer von ihnen ist derjenige, der st"andig rein- und rausgegangen ist. Wir sollen uns den beiden gegen"uber hinsetzen. Die zwei M"anner stellen sich als Polizisten in Zivil vor und verlangen meinen Pass sowie den Ausweis von Lketinga.
Mein Herz klopft bis in die Schl"afen. Was ist hier los? Ich habe Angst, in der Aufregung das Beamtenenglisch nicht mehr zu verstehen. Viele Fragen prasseln auf mich nieder. Seit wann ich im Samburu-Gebiet lebe, wo ich Lketinga kennengelernt habe, seit wann, wie und wovon wir hier lebten, was mein Beruf sei, wie wir uns verst"andigen, usw. Die Fragen nehmen kein Ende.
Lketinga will st"andig wissen, wovon wir sprechen, doch ich kann ihm das hier nicht auf unsere Art, uns miteinander zu verst"andigen, erkl"aren. Bei der Frage, ob ich schon mal verheiratet war, platzt mir langsam der Kragen. Erregt antworte ich, dass meine Geburtsurkunde und mein Pass denselben Namen tragen und ich auch eine Bescheinigung der Schweizer Gemeinde auf Englisch habe. Diese wird nicht anerkannt, da die Botschaft in Nairobi das nicht best"atigt hat, sagt der eine. „Aber mein Pass“, entgegne ich aufgebracht. Doch weiter komme ich nicht. Der k"onnte ja ebenfal s gef"alscht sein, antwortet der Officer. Nun bin ich ausser mir vor Wut. Der Officer fragt Lketinga, ob er schon eine Samburu-Frau geheiratet habe. Er antwortet wahrheitsgetreu mit nein. Wie er das beweisen kann, will der Officer wissen. Ja, in Barsaloi wissen das alle. Wir sind aber hier in Maralal, ist die Antwort. In welcher Sprache wir denn getraut werden wollen? Ich denke in Englisch, gedolmetscht in Massai. Der Officer lacht dreckig und meint, f"ur solche Spezialf"alle habe er keine Zeit und "ubrigens k"onne er die Massai-Sprache nicht. Wir sollen wiederkommen, wenn wir dieselbe Sprache, Englisch oder Suaheli, sprechen, ich in Nairobi mein Papier gestempelt habe und Lketinga einen vom Chief unterzeichneten Brief bringt, dass er noch nicht verheiratet ist.
Vor Wut "uber diese Schikane raste ich v"ollig aus und schreie den Officer an, warum er das al es nicht schon beim ersten Mal erw"ahnt habe. Hochm"utig erkl"art er, hier bestimme immer noch er, wann er was mitteilt, und wenn es mir nicht passt, k"onne er daf"ur sorgen, dass ich morgen das Land verlassen muss. Das sitzt! „Come, darling, we go, they don't want give the marriage.“
W"utend und heulend verlasse ich das Office, Lketinga hinter mir. Draussen zucken die Kameras von Sophia und Jutta, da sie glauben, wir h"atten es hinter uns.
In der Zwischenzeit haben sich mindestens zwanzig Leute hier versammelt. Am liebsten w"urde ich im Boden versinken. Jutta bemerkt es als erste: „Was ist los, Corinne, Lketinga, what's the problem?“ „I don't know“, antwortet er verwirrt. Ich st"urze zu meinem Landrover und rase zum Lodging. Ich wil allein sein. Dort falle ich aufs Bett und kann nur noch heulen, es sch"uttelt mich am ganzen K"orper. „Diese verdammten Schweine!“ denke ich.
Irgendwann sitzt Lketinga neben mir und versucht mich zu beruhigen. Obwohl ich weiss, dass er mit Tr"anen wenig anfangen kann, schaffe ich es nicht, aufzuh"oren. Jutta schaut ebenfalls herein und bringt mir einen Kenia-Schnaps. Widerwil ig st"urze ich ihn hinunter, und al m"ahlich l"ost sich der Weinkrampf. Ich f"uhle mich m"ude und wie taub. Irgendwann geht Jutta, Lketinga trinkt Bier und kaut sein Miraa.
Eine Weile sp"ater klopft es an der T"ur. Ich liege im Bett und starre die Decke an.
Lketinga "offnet, und die zwei zivilen Polizisten schleichen herein. Sie entschuldigen sich h"oflich und wollen ihre Hilfe anbieten. Da ich nicht reagiere, spricht der eine, ein Samburu, mit Lketinga. Als mir klar wird, dass diese Schweine nur viel Geld wollen, damit sie uns heiraten lassen, platzt mir noch mal der Kragen. Ich schreie sie an, unser Zimmer zu verlassen. Ich werde diesen Mann eben in Nairobi oder sonstwo heiraten, und zwar ohne ihre dreckigen Angebote. Betreten verlassen sie unseren Raum.
Morgen werden wir nach Nairobi fahren, um mein Formular best"atigen und vorsorglich mein Visum verl"angern zu lassen. Jetzt, mit den Heiratsantragsformularen, sollte das gehen. Dann haben wir wieder drei Monate Zeit, um das Papier vom Chief zu bekommen. Es w"are ja gelacht, wenn es nicht ohne Schmiergeld ginge! Der unsympathische Jomo schaut herein, als ich gerade schlafen wil. Lketinga erz"ahlt ihm unseren Plan, und er m"ochte uns begleiten, da er Nairobi bestens kenne, wie er versichert. Weil die Strasse nach Nyahururu immer noch in sehr schlechtem Zustand ist, beschliessen wir, "uber Wamba nach Isiolo zu fahren und von dort mit den "offentlichen Bussen nach Nairobi. Wegen des bevorstehenden Festes haben wir nur vier bis f"unf Tage Zeit.