Die weisse Massai
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Heute soll die Disco stattfinden, und wir sind sehr gespannt. Der Shop-Helfer versteht etwas von Technik. Er nimmt die Batterie aus dem Wagen, um sie am Kassettenrecorder anzuschliessen. Der Sound ist da. Inzwischen wurde eine Ziege geschlachtet. Zwei Boys sind mit dem Ausnehmen und Zerlegen besch"aftigt. Viele Freiwil ige helfen mit, nur Lketinga ist mehr mit Delegieren als mit pers"onlichem Einsatz besch"aftigt, und um halb acht ist al es bereit. Die Musik l"auft, das Fleisch brutzelt, und die Leute warten am Hintereingang. Lketinga kassiert den Eintritt von den M"annern, die Frauen haben freien Zugang. Doch sie bleiben draussen und schauen nur ab und zu kichernd durch den Eingang. Innerhalb einer halben Stunde ist der Shop voll. Immer wieder stellen sich Arbeiter vor und gratulieren mir zu dieser Idee. Sogar der Bauf"uhrer kommt und dankt f"ur meine Bem"uhungen. Die Leute haben eine Abwechslung verdient, denn f"ur viele ist es die erste weit abgelegene Baustelle.
Mir gef"al t es gut, mitten unter so vielen fr"ohlichen Menschen zu sein, und die meisten sprechen Englisch. Es kommen auch Samburus aus dem Dorf und sogar ein paar Alte, die sich auf umgekippte K"asten setzen und, in ihre Wol decken geh"ullt, den tanzenden Kikuyus zusehen. Ihr Staunen ist grenzenlos. Ich selbst tanze nicht, obwohl ich Napirai bei der Mama gut untergebracht habe. Einige wol en mich zum Tanzen auffordern, aber ein Blick zu Lketinga r"at mir, dies zu unterlassen. Er trinkt hinten heimlich sein Bier und kaut Miraa. Dieses ist als erstes ausverkauft.
Um 23 Uhr wird die Musik leise, und einige M"anner halten eine Dankesrede auf uns, insbesondere auf mich, die Mzungu. Eine Stunde sp"ater geht das letzte Bier weg. Auch die Ziege wurde kiloweise verkauft. Die G"aste sind in guter Stimmung, die bis vier Uhr nachts anh"alt. Dann endlich gehen wir nach Hause. Ich hole Napirai bei der Mama ab und stapfe ersch"opft zu unserer H"utte hinunter.
Beim Z"ahlen unserer Einnahmen stelle ich am n"achsten Tag erfreut fest, dass die Gewinne wesentlich h"oher sind als mit dem Shop. Die Freude ist allerdings schnel getr"ubt, als Pater Giuliano auf seinem Motorrad heranbraust und "argerlich fragt, was das f"ur ein „Saul"arm“ letzte Nacht in unserem Shop gewesen sei. Kleinlaut erz"ahle ich von der Disco. Grunds"atzlich st"ort es ihn nicht, wenn es bei zweimal im Monat bleibt, doch nach Mitternacht wil er seine Nachtruhe. Da ich ihn nicht ver"argern will, muss ich mich bei einer Wiederholung daran halten.
Misstrauen
Die ersten M"anner kommen vom Fluss her"uber und fragen, ob nicht irgendwo ein Bier zu kaufen sei. Ich verneine. Mein Mann erscheint und fragt die drei, was sie wollen. Ich erkl"are es ihm, und Lketinga geht auf die M"anner zu und sagt, wenn sie in Zukunft etwas wollten, sollten sie nicht mich, sondern ihn fragen, er sei der Mann und bestimme, was zu tun ist. V"ol ig platt "uber seinen gereizten Tonfal ziehen sie verwirrt ab. Warum er so redet, frage ich, aber er lacht b"ose und meint: „I know why these people come here, not for beer, I know! If they want beer, why they don't ask me?“
Dachte ich es mir doch, dass irgendwann eine Eifersuchtsszene kommt, obwohl ich nie l"anger als f"unf Minuten mit jemandem gesprochen habe! Den aufsteigenden "Arger schlucke ich hinunter, es reicht mir schon, was die drei M"anner von diesem Auftritt weitererz"ahlen werden, da ganz Barsaloi von unserer Disco spricht.
Permanent beobachtet mich Lketinga nun argw"ohnisch. Ab und zu nimmt er den Datsun und f"ahrt seinen Halbbruder in Sitedi oder andere Verwandte besuchen.
Nat"urlich k"onnte ich mitgehen, aber mit Napirai mag ich nicht in den von Fliegen "ubers"aten Manyattas bei den K"uhen hocken.
So vergeht die Zeit, und ich warte auf den Tag, an dem James endlich mit der Schule fertig ist. Wir brauchen dringend Geld, um Lebensmittel und Benzin zu kaufen. Mit al den Fremden hier k"onnten wir jetzt viel Geld verdienen. Lketinga ist st"andig unterwegs, da im Moment etliche aus seiner Altersgruppe heiraten. T"aglich erscheinen Krieger, die von irgendeiner Hochzeit erz"ahlen. Er schliesst sich ihnen meistens an, und in aller Regel weiss ich nicht, ob er in zwei, drei oder erst in f"unf Tagen wiederkommt.
Als Pater Giuliano anfragt, ob ich wieder die Sch"uler abholen wolle, denn heute sei Ende der Schulsaison, bin ich selbstverst"andlich bereit. Obwohl mein Mann nicht da ist, fahre ich los und lasse Napirai bei der Mama. James begr"usst mich freudig und erkundigt sich nach unserer Disco.
Also hat es sich sogar bis hierher herumgesprochen. Ich muss f"unf Burschen nach Hause bringen. Wir kaufen noch ein, und ich schaue schnell bei Sophia vorbei. Sie ist zur"uck aus Italien, wil aber so bald wie m"oglich wieder an die K"uste ziehen. Mit Anika ist es ihr hier zu anstrengend, und eine sinnvolle Zukunft sieht sie auch nicht.
Mir tut diese Mitteilung weh, denn nun habe ich niemanden mehr in Maralal, auf den ich mich freuen kann. Immerhin haben wir viele harte Momente gemeinsam durchgestanden. Aber ich verstehe und beneide sie auch ein wenig. Wie gerne w"urde ich wieder einmal ans Meer! Da der Umzug in K"urze stattfindet, verabschieden wir uns bereits jetzt. Sie will mir ihre neue Adresse sp"ater mitteilen.
Wir sind kurz nach acht Uhr zu Hause. Mein Mann ist nicht da, und so koche ich f"ur die Burschen, nachdem sie erst mal bei Mama Chai getrunken haben. Es wird ein lustiger Abend, und wir erz"ahlen uns viel. Napirai liebt ihren Onkel James sehr.
Immer wieder muss ich von der Disco berichten. Mit gl"anzenden Augen sitzen sie da und h"oren zu. So etwas m"ochten sie auch erleben. Eigentlich sollte es in zwei Tagen wieder soweit sein, doch Lketinga ist nicht da, und so wird eben nichts daraus. An diesem Wochenende haben die Leute Zahltag, und st"andig werde ich gebeten, eine Disco zu organisieren. Mir bleibt nur ein Tag. Ohne Lketinga traue ich mich nicht, doch die Boys "uberreden mich und versprechen, al es zu organisieren, wenn ich nur Bier und Sodas kaufe.
Nach Maralal mag ich nicht und fahre deshalb mit James nach Baragoi. Ich bin das erste Mal in diesem Turkana-Dorf. Es ist fast so gross wie Wamba und hat tats"achlich einen Bier- und Soda-Grossh"andler, allerdings etwas teurer als in Maralal. Die ganze Aktion dauert nur dreieinhalb Stunden. Ein Boy schreibt Anschlagzettel, die sie anschliessend gemeinsam verteilen, und alle fiebern der Disco entgegen. F"ur Fleisch hat es heute nicht mehr gereicht, weil keine Ziege zum Verkauf angeboten wurde.