Die weisse Massai
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Von zu Hause eine zu holen habe ich nicht gewagt, auch wenn es zum Teil meine sind. Als ich Napirai wieder zur Mama bringe, merke ich, dass sie nicht so erfreut ist wie sonst, wohl, weil Lketinga nicht da ist. Aber ich muss f"ur Geld sorgen, schliesslich leben alle davon.
Die Disco ist wieder ein grosser Erfolg. Heute kommen noch mehr, weil auch die Schulboys da sind. Sogar drei M"adchen trauen sich herein. Mit den Boys und ohne meinen Mann ist die Atmosph"are viel lockerer. Selbst ein junger Somali kommt vorbei und trinkt Fanta. Es freut mich, da Lketinga manchmal sehr h"asslich "uber die Somalis spricht. Ich sp"ure, dass ich dazugeh"ore und kann mich diesmal mit vielen unterhalten. Abwechselnd verkaufen die Boys die Getr"anke. Es ist herrlich, und alle tanzen zu der fr"ohlichen Kikuyu-Musik. Viele haben eigene Kassetten mitgebracht.
Auch ich tanze seit mehr als zwei Jahren wieder einmal und f"uhle mich entspannt.
Leider m"ussen wir nach Mitternacht die Musik leiser machen, aber die Stimmung bleibt gut. Gegen zwei Uhr wird geschlossen, und ich eile mit der Taschenlampe zur Manyatta, um Napirai abzuholen. Es f"allt mir schwer, den Eingang in der Dornenhecke zu finden. Im Kral trifft mich fast der Schlag. Lketingas Speere stecken vor der Manyatta! Mein Puls rast, als ich in die H"utte krieche. An seinem Grunzen erkenne ich sofort seine Gereiztheit. Napirai schl"aft nackt neben der Mama. Ich begr"usse ihn und frage, warum er nicht in den Shop gekommen ist. Zuerst erhalte ich keine Antwort. Pl"otzlich donnert er los. Er beschimpft mich gr"asslich und sieht wild aus. Ich kann sagen, was ich will, er glaubt mir nichts. Mama versucht ihn zu beruhigen und meint, sein Geschrei h"ore ganz Barsaloi. Auch Napirai schreit. Als er mich eine Hure nennt, die es mit Kikuyus und sogar mit den Boys treibe, packe ich die nackte Napirai in eine Decke und renne verzweifelt nach Hause. Langsam bekomme ich Angst vor meinem eigenen Mann. Es dauert nicht lange, und er reisst die T"ure auf, zerrt mich aus dem Bett und verlangt die Namen derer, mit denen ich es getrieben habe. Jetzt sei er sicher: Napirai sei gar nicht seine Tochter. Ich h"atte ihm nur erz"ahlt, sie sei wegen der Krankheit fr"uher zur Welt gekommen, dabei sei ich von einem anderen schwanger geworden. Bei jedem Satz schwindet meine angeschlagene Liebe. Ich verstehe ihn nicht mehr. Schliesslich verl"asst er das Haus und schreit, er k"ame nicht wieder und suche sich statt dessen eine bessere Frau. Mir ist es im Moment v"ol ig egal, wenn nur endlich Ruhe einkehrt.
Mit meinen verweinten Augen wage ich mich am Morgen kaum aus dem Haus.
Viele haben unseren Streit geh"ort. Mama erscheint gegen zehn Uhr mit Saguna und wil wissen, wo Lketinga ist. Ich weiss es nicht. Statt dessen kommt James mit seinem Freund. Auch er begreift das Ganze nicht, sein Bruder sei eben nie zur Schule gegangen, und diese Krieger verstehen nichts vom Business. Von James erfahre ich, wie Mama dar"uber denkt. Sie will mit Lketinga sprechen, dass er nicht mehr so b"ose sein darf, denn er kommt bestimmt wieder. Ich solle nicht weinen und auch nicht hinh"oren, was er erz"ahlt, denn alle M"anner sind so, darum ist es besser, wenn sie mehrere Frauen haben. James widerspricht dem, doch letztlich hilft mir das nichts.
Sogar der Wachmann von der Mission wird von Pater Giuliano zu mir geschickt, um zu h"oren, was los war. Mir ist das furchtbar unangenehm. Lketinga erscheint erst gegen Abend, und wir sprechen kaum miteinander. Der Alltag geht seinen Gang, niemand erw"ahnt den Vorfall. Nach einer Woche verschwindet er bereits wieder zu einer Zeremonie.
Mein „Wasserm"adchen“ l"asst mich immer h"aufiger im Stich, so dass ich gezwungen bin, mit dem Wagen zwei Kanister Wasser vom River zu holen, w"ahrend die Burschen Napirai h"uten. Als ich vom Fluss losfahren will, kann ich nicht mehr schalten, die Kupplung greift nicht. Deprimiert "uber die erste Panne nach gerade mal zwei Monaten, marschiere ich zur Mission, weil ich den Wagen nicht am Fluss stehen lassen kann. Giuliano ist nicht begeistert, kommt aber trotzdem und schaut sich den Wagen an. Dabei stellt er fest, dass in der Tat die Kupplung nicht mehr funktioniert. Er bedauert, da k"onne er wirklich nicht mehr helfen. Ersatzteile bek"ame ich al enfal s in Nairobi, und er fahre den n"achsten Monat sicher nicht dorthin. Ich heule los, denn ich sehe keine M"oglichkeit mehr, wie ich zu Lebensmitteln f"ur Napirai und mich kommen kann. Langsam habe ich genug von den ewigen Problemen.
Er schleppt den Wagen zu unserem Haus und wil versuchen die Ersatzteile in Nairobi telefonisch zu bestel en.
Wenn die Inder in den n"achsten Tagen mit dem Flugzeug kommen, k"onnten sie eventuel diese Teile mitbringen. Versprechen kann er im Moment nichts. Doch vier Tage sp"ater kommt er auf dem Motorrad dahergebraust und meldet, heute um elf Uhr w"urde das Flugzeug landen. Die Inder k"amen, um den Bau der Schule zu kontrollieren. Ob es mit den Ersatzteilen geklappt habe, wisse er nicht.
Tats"achlich landet mittags das Flugzeug. Pater Giuliano f"ahrt mit seinem Land-Cruiser zur provisorischen Piste, l"adt die beiden Inder ein und f"ahrt zum River. Ich schaue dem Wagen nach und sehe, dass Giuliano gleich weiterf"ahrt, wahrscheinlich nach Wamba. Da ich nicht weiss, was los ist, entschliesse ich mich, zur Schule hin"uberzulaufen. Napirai bringe ich zur Mama.
Die beiden Inder mit Turban sehen mich "uberrascht an. H"oflich werde ich mit H"andedruck begr"usst, und mir wird eine Cola angeboten. Dann wollen sie wissen, ob ich zur Mission geh"ore. Ich verneine und erkl"are, dass ich hier lebe, denn ich sei die Frau eines Samburus. Jetzt schauen sie noch neugieriger, wie mir scheint, und wollen wissen, wie eine Weisse im Busch leben kann. Sie haben geh"ort, dass ihre Arbeiter grosse Verpflegungsschwierigkeiten haben. Ich erz"ahle von meinem Wagen, der leider defekt ist. Mitf"uhlend fragen sie, ob denn diese Kupplung f"ur mich gewesen sei und nicht f"ur die Mission. Ich best"atige ihre Vermutung und frage besorgt, ob es nicht geklappt habe. Nein, ist die niederschmetternde Antwort, da es verschiedene Model e gibt und nur anhand der ausgebauten Teile ersichtlich ist, welche ben"otigt werden. Meine Entt"auschung ist gross, was den beiden nicht entgeht. Der eine will wissen, wo mein Wagen steht. Dann beauftragt er den mitgebrachten Mechaniker, sich den Wagen anzuschauen und die Teile auszubauen. In einer Stunde fliegen sie zur"uck.
Der Mechaniker arbeitet schnell, und nach nur zwanzig Minuten weiss ich, dass die Kupplungsscheiben sowie die Gangschaltung v"ollig unbrauchbar sind. Er packt die schweren Teile zusammen, und wir fahren zur"uck. Der eine Inder schaut sich die ausgebauten Teile an und meint, in Nairobi sollte es m"oglich sein, Ersatz zu finden, doch es werde teuer. Die beiden beraten kurz und fragen unvermittelt, ob ich mitfliegen wil. Ich bin v"ollig "uberrumpelt und stammle, mein Mann sei nicht hier und ausserdem h"atte ich ein sechs Monate altes Kind zu Hause. Kein Problem, meinen sie, das Kind k"onne ich mitnehmen, sie h"atten Platz f"ur uns beide.
Im ersten Moment bin ich hin- und hergerissen und erw"ahne, dass ich mich in Nairobi absolut nicht auskenne. „No problem“,
sagt nun der andere Inder. Der Mechaniker kennt alle Ersatzteilh"andler und werde mich morgen fr"uh vom Hotel abholen und mit mir versuchen, gebrauchte Ersatzteile zu finden. F"ur mich als Weisse sei al es sowieso viel zu teuer.
Die "uberw"altigende Hilfsbereitschaft dieser fremden M"anner macht mich sprachlos.
Noch bevor ich weiter nachdenken kann, er"offnen sie mir, ich solle in einer Viertelstunde beim Flugzeug sein. „Yes, thank you very much“, stammle ich aufgeregt. Der Mechaniker f"ahrt mich nach Hause. Schnel eile ich zur Mama und erkl"are ihr, dass ich nach Nairobi fliege. Ich nehme Napirai und lasse die v"ollig verst"orte Mama zur"uck. Im Haus packe ich die n"otigsten Sachen f"ur mein Baby und mich zusammen. Der Frau des Veterin"ars erkl"are ich meine Absicht und dass ich so schnel wie m"oglich mit den Ersatzteilen zur"uckkommen werde. Sie soll meinen Mann gr"ussen und erkl"aren, warum ich nicht warten kann, um seine Erlaubnis einzuholen.
Dann eile ich zum Flugzeug. Napirai h"angt im Kanga, und in einer Hand habe ich meine Reisetasche. Um das Flugzeug haben sich bereits viele neugierige Menschen versammelt, die bei meinem Anblick einen Moment verstummen. Die Mzungu fliegt weg, das ist eine Sensation, weil mein Mann nicht anwesend ist. Ich bin mir bewusst, dass es Probleme geben kann. Andererseits denke ich, er wird froh sein, wenn sein heissgeliebtes Auto wieder f"ahrt und er nicht nach Nairobi muss.
Die Inder kommen in einem Arbeiterwagen, gerade als Mama mit wogenden Schritten und finsterem Gesicht erscheint. Sie gibt mir zu verstehen, ich sol e Napirai hier lassen, doch das kommt f"ur mich nicht in Frage. Ich beruhige sie und verspreche wiederzukommen. Dann gibt sie mir und dem Kind doch noch den „Enkai“ mit auf den Weg. Wir steigen ein, und der Motor heult auf. Erschrocken springen die umstehenden Menschen auf die Seite. Ich winke allen zu, und schon rumpeln wir "uber die Piste.
Die Inder wol en vieles wissen. Wie ich zu meinem Mann kam, wieso wir hier in dieser Ein"ode leben. Ihr Staunen ruft bei mir ab und zu Heiterkeit hervor, und ich f"uhle mich froh und frei wie schon lange nicht mehr. Nach etwa eineinhalb Stunden erreichen wir Nairobi. Es ist wie ein Wunder f"ur mich, in so kurzer Zeit die weite Strecke zur"uckgelegt zu haben. Nun fragen sie, wohin sie mich bringen sollen. Bei meiner Antwort, zum Igbol-Hotel in der N"ahe des Odeon-Cinema, sind sie entsetzt und meinen, eine Lady wie ich geh"ore nicht in diese Gegend, sie sei zu gef"ahrlich.