Lebens-Ansichten des Katers Murr / Житейские воззрения кота Мурра
Шрифт:
«Halt, sprach der Ernste, mein Liebster, ereifern Sie sich nicht. Bedenken Sie fein, dass wenn vom Wunderbaren, Unglaublichen die Rede, man fuglich Dichter allegieren darf, denn simple Historiker verstehen den Teufel was davon. Ja, wenn das Wunderbare in Schick und Form gebracht, und als reine Wissenschaft vorgetragen werden soll, wird der Beweis irgendeines Erfahrungssatzes am besten aus beruhmten Dichtern entnommen, auf deren Wort man bauen darf. Ich fuhre Ihnen, und damit werden Sie, selbst ein gelehrter Arzt, zufrieden sein – ja! sage ich, ich fuhre Ihnen das Beispiel eines beruhmten Arztes an, der in seiner wissenschaftlichen Darstellung des animalischen Magnetismus um unsern Rapport mit dem Weltgeiste, um das Dasein eines wunderbaren Ahnungsvermogens unleugbar ins Licht zu stellen, sich auf Schiller und dessen Wallenstein bezieht, welcher sagt:»Es gibt im Menschenleben Augenblicke und ›dergleichen Stimmen gibts – es ist kein Zweifel‹ – und wie es denn weiter heisst. Sie konnen das Weitere selbst nachlesen, in der Tragodie.«—»Ho ho!«erwiderte der Doktor,»Sie springen ab – Sie geraten in den Magnetismus, und sind imstande, zuletzt zu behaupten, dass, nachst allen Wundern, die dem Magnetiseur zu Gebote stehen, er auch den Schulmeister fur empfangliche Kater abgeben konnte.«—
«Nun«, sprach der Ernste,»wer weiss, wie der Magnetismus auf Tiere wirkt. Kater, die schon das elektrische Fluidum in sich tragen, wie Sie sich gleich uberzeugen konnen –
Plotzlich an Mina denkend, die uber dergleichen Versuche, die mit ihr angestellt worden, so bitter klagte, erschrak ich so heftig, dass ich ein lautes Miau ausstiess!
«Bei dem Orkus und all' seinem Entsetzen«, rief der Professor erschrocken,»der hollische Kater hort uns, versteht uns – Herz gefasst! – mit diesen Handen erwurg' ich ihn.«—
«Ihr seid nicht klug«, sprach der Ernste,»Ihr seid wahrhaftig nicht klug, Professor. Nimmermehr leide ich, dass Ihr dem Kater, den ich schon jetzt herzlich lieb gewonnen, ohne das Gluck seiner nahern Bekanntschaft zu geniessen, dass Ihr ihm nur das geringste Leid zufugt. Am Ende muss ich glauben, dass Ihr eifersuchtig seid auf ihn, weil er Verse macht? Professor der Asthetik kann ja der kleine graue Mann niemals werden, daruber beruhigen Sie sich nur ganz. Steht es denn nicht deutlich in den uralten akademischen Statuten, dass, uberhand genommenen Missbrauchs halber, keine Esel mehr zur Professur gelangen sollen, und ist diese Verordnung nicht auch auf Tiere auszudehnen von jeder Art und Gattung, mithin auch auf Kater?«
«Mag es sein«, sprach der Professor unmutig,»dass der Kater niemals weder Magister legens, noch Professor der Asthetik, werden wird, als Schriftsteller tritt er doch auf uber kurz oder lang, findet der Neuheit wegen Verleger und Leser, schnappt uns gute Honorare weg – «
«Ich finde«, erwiderte der Ernste,»durchaus keine Ursache, warum dem guten Kater, dem aimablen Liebling unsers Meisters, es verwehrt sein solle, eine Bahn zu betreten, auf der sich so viele ohne Rucksicht auf Kraft und Haltung umhertummeln. Die einzige Massregel, die dabei zu beobachten, ware, dass man ihn notigte, sich die spitzen Krallen verschneiden zu lassen, und das ware vielleicht das einzige, was wir jetzt gleich tun konnten, um sicher zu sein, dass er uns nie verwunde, wenn er ein Autor worden.«
Alle standen auf. Der Asthetiker griff nach der Schere. Man kann sich meine Lage denken, ich beschloss, mit Lowenmut anzukampfen gegen die Verunglimpfung, die man mir zugedacht; den ersten, der sich mir nahen wurde, zu zeichnen auf ewige Zeiten, ich rustete mich zum Sprunge, sowie der Korb geoffnet werden wurde.
In dem Augenblick trat Meister Abraham hinein, und voruber war meine Angst, die sich schon steigern wollte zur Verzweiflung. Er offnete den Korb, und noch ganz ausser mir, sprang ich mit einem Satz hinaus, und schoss dem Meister wild vorbei, unter den Ofen.
«Was ist dem Tiere widerfahren«, rief der Meister, die andern misstrauisch anblickend, welche da standen ganz verlegen und, vom bosen Gewissen geplagt, gar nicht zu antworten vermochten.
So bedrohlich auch meine Lage im Gefangnis war, doch empfand ich inniges Wohlbehagen daruber, was der Professor von meiner mutmasslichen Laufbahn sagte, sowie sein deutlich ausgesprochener Neid mich hochlich erfreute. Ich fuhlte schon das Doktorhutlein auf meiner Stirne, ich sah mich schon auf dem Katheder! – Sollten meine Vorlesungen denn nicht am haufigsten besucht werden von der wissbegierigen Jugend? – Sollte wohl ein einziger Jungling, von milden Sitten, es ubel deuten konnen, wenn der Professor bate, keine Hunde ins Kollegium zu bringen? – Nicht alle Pudel hegen solch freundlichen Sinn, wie mein Ponto, und dem Jagervolk mit langen hangenden Ohren ist nun vollends gar nicht zu trauen, da sie uberall mit den gebildetsten Leuten meines Geschlechts unnutze Handel anfangen und sie mit Gewalt notigen, zu den unartigsten Ausserungen des Zorns, als da ist Prusten – Kratzen – Beissen usw. usw.
Wie hochst fatal musst' es —
(Mak. Bl.) – nur der kleinen rotwangigen Hofdame gelten, die Kreisler bei der Benzon gesehen.»Tun Sie mir«, sprach die Prinzessin,»den Gefallen, Nannette, gehen Sie selbst herab, und sorgen Sie, dass man die Nelkenstocke in meinen Pavillon trage, die Leute sind saumselig genug, um nichts auszurichten.«– Das Fraulein sprang auf, verbeugte sich sehr zeremonios, flog dann aber schnell zum Zimmer heraus, wie ein Vogel, dem man den Kafig geoffnet.
«Ich kann«, wandte sich die Prinzessin zum Kreisler,»nun einmal nichts herausbringen, wenn ich nicht mit dem Lehrer allein bin! der den Beichtvater vorstellt, dem man ohne Scheu alle Sunden vertrauen kann. Uberhaupt werden Sie, lieber Kreisler, die steife Etikette bei uns seltsam, werden es lastig finden, dass ich uberall von Hofdamen umgeben, gehutet werde wie die Konigin von Spanien. – Wenigstens sollte man hier in dem schonen Sieghartshof mehr Freiheit geniessen. Ware der Furst im Schlosse, ich hatte Nannette nicht fortschicken durfen, die sich selbst bei unseren musikalischen Studien ebensosehr langeweilt, als sie mich geniert. – Fangen wir noch einmal an, jetzt wird es besser gehen.«– Kreisler, bei dem Unterricht die Geduld selbst, begann das Gesangstuck, welches die Prinzessin einzustudieren unternommen, von neuem, aber so sichtlich Hedwiga sich auch muhte, so viel Kreisler auch einhelfen mochte, sie verirrte sich in Takt und Ton, sie machte Fehler uber Fehler, bis sie glutrot im ganzen Gesicht aufsprang, an das Fenster lief, und hinausschaute in den Park. Kreisler glaubte zu bemerken, dass die Prinzessin heftig weine, und fand seinen ersten Unterricht, den ganzen Auftritt, etwas peinlich. Was konnte er Bessers tun, als versuchen, ob der feindliche, unmusikalische Geist, der die Prinzessin zu verstoren schiene, sich nicht bannen lasse eben durch Musik. Er liess daher allerlei angenehme Melodien fortstromen, variierte die bekanntesten Lieblingslieder in kontrapunktischen Wendungen und melismatischen Schnorkeln, so dass er zuletzt sich selbst daruber wunderte, wie er so charmant den Flugel zu spielen verstehe, und die Prinzessin vergass, samt ihrer Arie, und ihrer rucksichtslosen Ungeduld.
«Wie herrlich doch der Geierstein in der leuchtenden Abendsonne steht«, sprach die Prinzessin, ohne sich umzuwenden.
Kreisler war eben in einer Dissonanz begriffen, naturlicherweise musste er diese auflosen, und konnte daher nicht mit der Prinzessin den Geierstein und die Abendsonne bewundern.»Gibt's wohl einen reizendern Aufenthalt weit und breit, als unser Sieghartshof?«sprach Hedwiga lauter und starker als vorher. – Nun musste Kreisler wohl, nachdem er einen tuchtigen Schlussakkord angeschlagen, zu der Prinzessin an das Fenster treten, der Aufforderung zum Gesprach hoflich genugend.
«In der Tat, gnadigste Prinzessin«, sprach der Kapellmeister,»der Park ist herrlich, und ganz besonders ist es mir lieb, dass samtliche Baume grunes Laub tragen, welches ich uberhaupt an allen Baumen, Strauchern und Grasern sehr bewundere und verehre, und jeden Fruhling dem Allmachtigen danke, dass es wieder grun worden und nicht rot, welches in jeder Landschaft zu tadeln, und bei den besten Landschaften, wie z. B. Claude Lorrain oder Berghem, ja selbst bei Hackert, der bloss seine Wiesengrunde was weniges pudert, nirgends zu finden.»