Lebens-Ansichten des Katers Murr / Житейские воззрения кота Мурра
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Der Professor, und die, die mit ihm gekommen, machten nun einen grimmigen Spektakel um mich her, der meines Bedunkens, wenigstens bei dem Verpacken der Nachtmutzen und der grauen Rocke, nicht notig gewesen ware.
Auf einmal rief draussen eine hohle Stimme: das Haus brennt!» Hoho«, sprach der Meister Abraham,»da muss ich auch dabei sein, bleibt nur ruhig, Ihr Herren! wenn die Gefahr da ist, bin ich wieder hier und wir packen an!«—
Und damit verliess er eilig das Zimmer.
Mir wurde in meinem Korbe wirklich bange. Das wilde Getose – der Rauch, der nun in das Zimmer zu dringen begann, alles mehrte meine Angst! – Allerlei schwarze Gedanken stiegen in mir auf! – Wie wenn der Meister mich vergasse, wenn ich schmachvoll umkommen musste in den Flammen! – Ich fuhlte, die furchtbare Angst mochte es verschulden, ein besonderes hassliches Kneifen im Leibe. –
Meister Abraham steckte den Kopf zur Ture hinein, und sprach:»Die Gefahr ist voruber, Ihr Herren! Setzt Euch nur ruhig hin an jenen Tisch, und trinkt die paar Flaschen Wein aus, die Ihr in dem Wandschrank gefunden, ich meinesteils begebe mich noch ein wenig auf's Dach, und will erklecklich spritzen. – Doch halt, erst muss ich nachsehen, was mein guter Kater macht.«
Der Meister trat vollends hinein, nahm den Deckel von dem Korbe, in dem ich sass, sprach mir zu mit freundlichen Worten, erkundigte sich nach meinem Wohlbefinden, fragte, ob ich vielleicht noch einen gebratenen Vogel verspeisen wolle, welches alles ich mit mehrmaligem sussen Miau erwiderte, und mich recht bequem ausstreckte, welches mein Meister mit Recht fur das beredte Zeichen nahm, dass ich satt sei, noch im Korbe zu bleiben wunsche, und stulpte den Deckel wieder auf.
Wie wurde ich nun von der guten, freundlichen Gesinnung uberzeugt, die Meister Abraham fur mich hegte. Ich hatte mich meines schnoden Misstrauens schamen mussen, wenn es uberhaupt fur einen Mann von Verstande schicklich ware, sich zu schamen.»Am Ende«, dacht' ich,»war auch die furchterliche Angst, das ganze, Unheil ahnende Misstrauen weiter nichts, als poetische Schwarmerei, wie sie jungen, genialen Enthusiasten eigen, die dergleichen oft formlich brauchen, als berauschendes Opium. «Das beruhigte mich ganz und gar.
Kaum hatte der Meister die Stube verlassen, als der Professor, ich konnt' es durch eine kleine Fitze des Korbes bemerken, sich mit misstrauischen Blicken nach dem Korbe umschaute, und dann den andern zuwinkte, als habe er ihnen irgend Wichtiges zu entdecken. Dann sprach er mit so leiser Stimme, dass ich kein Wortlein verstanden, hatte der Himmel nicht in meine spitzen Ohren mir unglaublich scharfes Gehor gelegt.»Wisst ihr wohl, wozu ich eben jetzt Lust hatte? – Wisst ihr wohl, dass ich hingehen zu jenem Korbe, ihn offnen, und dem verfluchten Kater, der drinnen sitzt, und der uns jetzt vielleicht alle mit seinem ubermutigen Selbstgenugsein verhohnt, dies spitze Messer in die Kehle stossen mochte?«
«Was fallt Euch ein, Lothario«, rief ein anderer,»den hubschen Kater, den Liebling unseres wackeren Meisters wolltet Ihr umbringen? – Und warum sprecht Ihr denn so leise?«
Der Professor ebenso mit gedampfter Stimme wie vorher weiter sprechend, erklarte, dass ich alles verstehe, dass ich lesen und schreiben konne, dass mir Meister Abraham auf eine, freilich geheimnisvolle, unerklarliche Weise, die Wissenschaften beigebracht, so dass ich schon jetzt, wie ihm der Pudel Ponto verraten, schriftstellere und dichte, und dass das alles dem schelmischen Meister zu nichts anderem dienen werde, als zur Verspottung der vortrefflichsten Gelehrten und Dichter.
«O«, sprach Lothario mit unterdruckter Wut,»ich seh' es kommen, dass Meister Abraham, der ohnedem das Vertrauen des Grossherzogs in vollem Masse besitzt, dass er mit dem ungluckseligen Kater alles durchsetzt, was er nur will. Die Bestie wird Magister legens werden, die Doktorwurde erhalten, zuletzt als Professor der Asthetik Kollegia lesen uber den Aschylos – Corneille – Shakespeare! – ich komme von Sinnen! – der Kater wird in meinen Eingeweiden wuhlen, und hat ganz infame Krallen!«—
Alle gerieten bei diesen Reden Lotharios, des Professors der Asthetik, in das tiefste Erstaunen. Einer meinte, es sei ganz unmoglich, dass ein Kater lesen und schreiben lernen konne, da diese Elemente aller Wissenschaft nachst der Geschicklichkeit, der nur der Mensch fahig, eine gewisse Uberlegung, man mochte sagen, Verstand, erforderten, der sogar nicht allemal bei dem Menschen, dem Meisterstuck der Schopfung, anzutreffen, viel weniger bei gemeinem Vieh!
«Bester«, nahm ein anderer, wie mir's in meinem Korbe schien, sehr ernsthafter Mann, das Wort,»was nennen Sie gemeines Vieh? – Es gibt gar kein gemeines Vieh. Oft in stille Selbstbetrachtung versunken, empfinde ich den tiefsten Respekt vor Eseln und andern nutzlichen Tieren. Ich begreife nicht, warum einer angenehmen Hausbestie von glucklichen, naturlichen Anlagen nicht sollte das Lesen und Schreiben beigebracht werden, ja warum sich ein solches Tierlein nicht sollte erheben konnen zum Gelehrten und Dichter? – Ist denn das so etwas Beispielloses? – An Tausend und Eine Nacht, als der besten, historischen Quelle voll pragmatischer Authentizitat, mag ich gar nicht denken, sondern Sie, mein allerliebster! nur an den gestiefelten Kater erinnern, einen Kater, der voll Edelmut, durchdringendem Verstand war, und tiefer Wissenschaft.«
Vor Freude uber dieses Lob eines Katers, der, wie mir eine deutliche Stimme im Innern sagte, mein wurdiger Ahnherr sein musste, konnt' ich mich nicht enthalten, zwei-, dreimal ziemlich stark zu niesen. – Der Redner hielt inne, und alle schauten sich ganz verschuchtert um nach meinem Korbe.
«Contentement mon cher«, rief endlich der ernsthafte Mann, der eben gesprochen, und fuhr dann weiter fort:»Irre ich nicht, so erwahnten Sie, teurer Asthetiker, vorhin eines Pudels Ponto, der Ihnen des Katers dichterisches und wissenschaftliches Treiben verraten. Dies bringt mich denn auf Cervantes hochst vorzuglichen ›Berganza‹, von dessen neuesten Schicksalen in einem gewissen neuen hochst abenteuerlichen Buche Nachricht gegeben wird. Auch dieser Hund gibt ein entscheidendes Beispiel uber das Naturell und uber die Bildungsfahigkeit der Tiere.«
«Aber«, nahm der andere das Wort,»mein teurer, liebster Freund, welche Beispiele fuhren Sie denn da an? Von dem Hunde Berganza spricht ja Cervantes, der bekanntlich ein Romanschreiber war, und die Geschichte vom gestiefelten Kater ist ja ein Kindermarchen, welches Herr Tieck freilich mit solcher Lebendigkeit uns vor Augen gebracht hat, dass man beinahe die Torheit begehen konnte, wirklich daran zu glauben. Also zwei Dichter allegieren Sie, als waren es ernste Naturhistoriker und Psychologen, nun sind aber Dichter nichts weniger als das, sondern ausgemachte Phantasten, die lauter eingebildetes Zeug ausbruten und vorbringen. Sagen Sie, wie mag denn aber ein verstandiger Mann, wie Sie sich auf Dichter berufen, um das zu bewahrheiten, was wider Sinn und Verstand lauft? Lothario ist Professor der Asthetik, und es ist billig, dass er als solcher bisweilen etwas weniges uber die Schnur haue, aber Sie –