Die weisse Massai
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Nachmittags geht es endlich los. Wir fahren "uber Baragoi, also brauchen wir sicher sechs Stunden und werden erst in der Nacht Barsaloi erreichen. Auf dem Laster fahren mindestens f"unfzehn Personen mit. Der Driver verdient gutes Geld dabei.
Die Fahrt dauert unendlich lang. Zum ersten Mal lege ich die Strecke mit einem Lastwagen zur"uck. In tiefer Finsternis "uberqueren wir den ersten Fluss. Nur der Lichtstrahl der Scheinwerfer tastet sich durch die dunkle Weite. Gegen zehn Uhr haben wir es geschafft. Der Laster h"alt vor dem Lager der Mission. Viele Menschen erwarten den Lori, wie er hier heisst. Sie haben die Lichter schon l"angst ersp"aht, und damit ist Aufregung in das ruhige Barsaloi eingezogen. Einige wollen sich Geld mit dem Abladen der schweren S"acke verdienen.
M"ude, aber freudig erregt klettere ich aus dem Laster. Ich bin zu Hause, obwohl die Manyattas noch einige hundert Meter entfernt sind. Ein paar Leute begr"ussen mich freundlich. Giuliano erscheint mit einer Taschenlampe, um Anweisungen zu geben. Auch er begr"usst mich kurz und ist schon wieder verschwunden. Mit meinen schweren Taschen stehe ich hilflos herum, im Dunkeln kann ich sie nicht allein bis zu Mamas Manyatta schleppen. Zwei Boys, die offensichtlich nicht zur Schule gehen, da sie traditionell gekleidet sind, bieten mir ihre Hilfe an. Auf halber Strecke kommt uns jemand mit einer Taschenlampe entgegen. Es ist mein Darling. „Hello!“ strahlt er mich an. Freudig umarme ich ihn und dr"ucke ihm einen Kuss auf den Mund. Die Aufregung verschl"agt mir die Sprache. Schweigend gehen wir zur Manyatta.
Auch Mama zeigt grosse Freude. Sofort entfacht sie das Feuer f"ur den obligaten Chai. Ich verteile meine Geschenke. Sp"ater klopft Lketinga liebevoll auf meinen Bauch und fragt: „How is our baby?“
Mir ist mulmig, als ich ihm sage, ich h"atte leider kein Baby im Bauch. Sein Gesicht verfinstert sich: „Why? I know you have baby before!“
So ruhig wie m"oglich versuche ich zu erkl"aren, dass ich nur wegen der Malaria meine Monatsblutung nicht bekommen habe. Lketinga ist "uber diese Nachricht sehr entt"auscht. Dennoch lieben wir uns in dieser Nacht wunderbar.
Die n"achsten Wochen verbringen wir sehr gl"ucklich. Das Leben geht seinen gewohnten Gang, bis wir uns nach Maralal begeben, um erneut nach dem Hochzeitstermin zu fragen. Lketingas Bruder kommt ebenfalls mit. Diesmal haben wir Gl"uck. Als wir vorsprechen und meine best"atigten Papiere sowie den Brief vom Chief, den Lketinga in der Zwischenzeit bekommen hat, vorlegen, scheint es keine Probleme mehr zu geben.
Standesamt und Hochzeitsreise
Am 26. Juli 1988 werden wir getraut. Anwesend sind zwei neue Trauzeugen, Lketingas "alterer Bruder und einige mir unbekannte Menschen. Die Zeremonie wird erst in Englisch und dann in Suaheli von einem netten Officer vollzogen. Alles verl"auft reibungslos, ausser dass mein Darling im entscheidenden Moment sein „Yes“
nicht ausspricht, bis ich kr"aftig gegen sein Bein stosse. Dann wird die Urkunde unterzeichnet. Lketinga nimmt meinen Pass und meint, jetzt m"usse doch ein kenianischer her, da ich nun Leparmorijo heisse. Der Officer erkl"art, dies m"usse in Nairobi gemacht werden, da Lketinga ohnehin f"ur mich den st"andigen Wohnsitz beantragen muss. Nun verstehe ich gar nichts mehr. Ich war der Meinung, jetzt sei alles in Ordnung und der Papierkrieg h"ore endlich auf. Aber nein, trotz der Heirat bin ich immer noch Touristin, bis ich das Aufenthaltsrecht im Pass habe. Meine Freude schwindet, und auch Lketinga versteht das Ganze nicht. Im Lodging kommen wir zu dem Entschluss, nach Nairobi zu fahren.
Samt Trauzeugen und dem "alteren Bruder, der noch nie eine grosse Reise unternommen hat, brechen wir am n"achsten Tag auf. Bis Nyahururu fahren wir mit unserem Landrover, dann mit dem Bus nach Nairobi. Der Bruder kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. F"ur mich ist es eine Freude, jemanden zu beobachten, der mit vierzig Jahren das erste Mal eine Stadt besucht. Er ist sprachlos und noch hilfloser als Lketinga. Nicht einmal eine Strasse kann er ohne unsere Hilfe "uberqueren. Wenn ich ihn nicht bei der Hand nehmen w"urde, bliebe er sicherlich bis zum Abend am selben Fleck stehen, weil ihn der Verkehr und die vielen Autos "angstigen. Beim Anblick der riesigen Wohnblocks versteht er nicht, wie die Leute "ubereinander leben k"onnen. Endlich erreichen wir das Nyayo-Geb"aude. Ich stelle mich in die wartende Kolonne, um wieder einige Formulare auszuf"ullen. Als ich das schliesslich geschafft habe, meint die Dame hinter dem Schalter, wir sol en in etwa drei Wochen nachfragen. Protestierend versuche ich ihr klarzumachen, dass wir von sehr weit her kommen und auf keinen Fall ohne g"ultigen Eintrag im Pass zur"uckfahren. Fast flehe ich sie an, doch sie sagt h"oflich, al es habe seinen Weg zu gehen, sie werde versuchen, es in etwa einer Woche hinzukriegen. Da ich merke, dass dies das letzte Wort war, bedanke ich mich.
Draussen besprechen wir die Lage. Wir sind zu viert und m"ussen eine Woche warten. In Nairobi ist das mit meinen drei Buschm"annern unvorstellbar. Deshalb schlage ich vor, nach Mombasa zu fahren, damit der Bruder auch einmal ans Meer kommt. Lketinga ist einverstanden, da er sich in Begleitung sicher f"uhlt. So treten wir die achtst"undige Reise an, sozusagen unsere Hochzeitsreise.
In Mombasa besuchen wir als erstes Priscilla. "Uber unsere Hochzeit freut sie sich riesig und glaubt auch, dass jetzt al es gut wird. Lketingas Bruder will nun endlich ans Meer, doch als er vor der riesigen Wassermenge steht, muss er sich an uns festhalten. N"aher als zehn Meter geht er nicht ans Wasser, und nach zehn Minuten m"ussen wir den Strand verlassen, zu gross ist seine Furcht. Ich zeige ihm auch ein Touristen-Hotel. Er kann nicht glauben, was er sieht. Einmal fragt er meinen Mann, ob wir wirklich noch in Kenia sind. Es ist ein sch"ones Gef"uhl, jemandem, der noch staunen kann, diese Welt zu zeigen. Sp"ater gehen wir essen und trinken, wobei er zum ersten Mal Bier trinkt, was ihm nicht gut bekommt. In Ukunda finden wir ein sch"abiges Lodging.
Die Tage in Mombasa kosten mich eine Menge Geld. Die M"anner trinken Bier, und ich sitze dabei, denn al ein mag ich nicht an den Strand. Langsam werde ich sauer, st"andig den Bierkonsum f"ur drei Personen zu bezahlen, und so bleiben die ersten kleinen Streitigkeiten nicht aus. Lketinga, der nun offiziel mein Mann ist, versteht mich nicht und meint, es sei meine Schuld, so lange warten zu m"ussen, bevor wir nach Nairobi zur"uck k"onnen. Er begreife sowieso nicht, warum ich noch einen Stempel brauche. Schliesslich habe er mich geheiratet, und dadurch sei ich eine Leparmorijo und Kenianerin. Die anderen stimmen ihm zu. Ich sitze da und weiss auch nicht, wie ich ihnen den ganzen B"urokram erkl"aren soll.
Nach vier Tagen brechen wir missmutig auf. Mit M"uh und Not bringe ich Lketinga nochmals, und wie er sagt, das letzte Mal, in dieses Office in Nairobi. Inst"andig hoffe ich, dass ich den Stempel schon heute bekomme. Erneut erkl"are ich unser Anliegen und bitte nachzuschauen, ob es geklappt hat. Wieder heisst es warten. Die drei machen sich gegenseitig nerv"os und mich dazu. Die Leute starren uns ohnehin entgeistert an. Eine Weisse mit drei Massai gibt es nicht al e Tage im Office.
Endlich werden mein Mann und ich aufgerufen, wir sollen einer Dame folgen. Als wir vor einem Personenlift warten, ahne ich bereits, was passiert, wenn Lketinga da hineingehen sol. Die Liftt"ure "offnet sich, und eine Menschenmasse quil t heraus.
Erschrocken starrt Lketinga in die leere Kabine und fragt: „Corinne, what's that?“
Ich versuche ihm zu erkl"aren, dass wir mit dieser Kiste in den zw"olften Stock fahren.
Die Dame wartet bereits ungeduldig am Lift. Lketinga will nicht. Er hat Angst, in die H"ohe zu fahren. „Darling, please, this is no problem, if we are in the 12th floor you go around like now. Please, please come!“
Ich flehe ihn an zuzusteigen, bevor die Dame keine Arbeitslust mehr versp"urt.
Tats"achlich steigt er endlich mit grossen Augen ein.